Am vergangenen Samstagnachmittag war es soweit: Eduard Löwen feierte sein Startelf-Debüt in der Bundesliga. Bei Nürnbergs Sieg gegen Düsseldorf kam es gleich zu einer doppelten Premiere. Den 3:0-Endstand bereitete der 21-Jährige mit einem Zuckerpass vor – Löwens erster Assist im Oberhaus. In den vorherigen Spielen kam er (mit Ausnahme der 0:1-Auftaktniederlage in Berlin) stets als Joker zum Zug: zu wenig für den hochbegabten U21-Nationalspieler. Das es so kam, hat auch mit Löwens speziellem Verhältnis zu Trainer Michael Köllner zu tun.
Bevor Köllner im März 2017 zunächst interimweise die Profis des 1.FC Nürnberg übernahm, war der Modellathlet selbst in Nürnberg nur den wenigsten Fußballinteressierten bekannt. Löwen war im Sommer 2016 von der U19 des 1.FC Saarbrücken nach Franken gewechselt, zeitgleich hatte Köllner seinen damaligen Posten als Leiter des Nachwuchsleistungszentrums in Nürnberg abgegeben und die zweite Mannschaft übernommen – der von da an auch Löwen angehörte. Es scheint, als würde Köllner von seinem Lieblingschüler bis heute mehr verlangen als von anderen, ihn ganz besonders fördern – aber auch fordern. Übermäßiges Sonderlob ist nicht Köllners Sache. Er will vielmehr, dass Löwen geerdet bleibt und sich seine Einsatzzeiten hart verdient.
Als Löwen vor anderthalb Jahren in der 2. Bundesliga unter der Obhut von Köllner seine ersten Schritte im deutschen Profifußball machte, befand sich der Altmeister in akuter Abstiegsgefahr – es drohte der Absturz in die 3. Liga. Schon damals war der Oberpfälzer von Löwens Fähigkeiten überzeugt. Der Youngster kam in allen elf Spielen (zwei Vorlagen) unter Köllner zum Einsatz, davon neunmal über die vollen 90 Minuten. In der anschließenden Aufstiegssaison wurde der vielseitige Löwen schließlich zum unumstrittenen Stammspieler. 32 Einsätze (fünf Tore, vier Vorlagen) standen am Ende zu Buche.
Mit guten Auftritten hatte sich Löwen trotz teils gravierender Fehlpässe und Unkonzentriertheiten einen Namen gemacht und wurde zum wertvollsten Spieler im Unterhaus. Viele Vorschusslorbeeren für einen, der zweifelsfrei viel Potenzial, aber damals noch keine Profisaison durchgespielt hatte. Lange fiel es dem Beobachter schwer, Löwen überhaupt auf eine Position festzulegen. Köllner sah in ihm einen Allrounder, stellte ihn auf nahezu jeder Position auf. So kam er vergangene Saison zwar meist als Innenverteidiger zum Einsatz, spielte aber auch schon als Linksverteidiger, als Zehner – oder auf den offensiven Außenbahnen.
Wie U21-Nationaltrainer Stefan Kuntz setzt ihn auch Köllner mittlerweile vorwiegend auf seiner Lieblingsposition ein: im zentralen Mittelfeld, als Achter. Aufgrund ihrer gemeinsamen Vorgeschichte müssen Köllner und Löwen also ein besonderes Verhältnis zueinander haben. Ihren Durchbruch erlebten sie Seite an Seite, sie wuchsen miteinander – der Aufstieg war für beide die vorläufige Krönung. Löwen gilt als Musterschüler seines Ziehvaters Köllner – dennoch war das Riesentalent beim Saisonstart nicht gesetzt. Eine Tatsache, die bei genauerer Betrachtung allerdings gar nicht so überrascht.
Denn derzeit wird ihnen ein angespanntes Verhältnis nachgesagt. Zuletzt missfiel Köllner die U21-Nominierung Löwens. Im Sommer hatte Löwen mit mehreren Blessuren zu kämpfen. Hier kam es in zu ersten Dissonanzen zwischen Senkrechtstarter und Erfolgsrainer. Mitte August konnte Löwen aufgrund einer Rippenprellung nicht mittrainieren. Die Reaktion Köllners verwunderte allerdings. „Ja ja, Rippenprellung. Nachdem er nicht Medizin studiert hat, wird er das auch nur schwer beurteilen können“, ließ er die verdutzten Medienvertreter wissen.
Zuvor hatte Löwen Anfang August mit Oberschenkelproblemen zu kämpfen gehabt, wollte im Test gegen Bologna aber unbedingt auflaufen. In Absprache mit den Vereinsärzten stoppte Köllner seinen Zögling jedoch. „Es gibt Spieler, die sind, was das Hineinhören in den eigenen Körper anbelangt, sehr feinfühlig. Eduard gehört nicht dazu. Der kann von einem Panzer überfahren werden und sagt dann immer noch, dass er sich gut fühlt und spielen kann“, sagte er da mit einem Augenzwinkern. Köllner hatte eine 180-Grad-Drehung vollführt, das Juwel schien immer mehr zum Verlierer der Vorbereitung zu werden.
Vor dem Pokalspiel in Linx galt Löwens Einsatz aufgrund der Rippenverletzung als gefährdet, Köllner beschwichtigte jedoch: „Es ist nicht so dramatisch, wie er das manchmal sieht oder im ersten Moment schildert“, meinte Köllner. „Ein junger Sportler muss etwas aushalten. Er wird auch etwas aushalten, und wenn nicht, dann wird er dazu gezwungen.“ Letztlich saß Löwen die komplette Spieldauer auf der Bank – wie die Woche darauf in Berlin. Da klagte er über Adduktoren-Probleme. Seitdem nahm Alexander Fuchs seinen Platz ein. Fuchs ist engagiert und laufstark – Löwen der bessere Fußballer, technisch stärker, körperlich präsenter und deutlich torgefährlicher. Nicht nur im Club-Umfeld sehen Löwen deshalb viele in der Anfangsformation – und zwar immer.
Köllner sieht das freilich anders. „Wir hatten am Anfang gute Auftritte, Edu war in der Vorbereitung relativ lange verletzt. Mit welcher Berechtigung soll dann ein anderer runterfliegen? Das ist ein Mannschaftssport, das muss man ertragen. Wir haben nicht nur elf Spieler im Kader, von denen einer Edu Löwen ist, sondern wir haben 27 Spieler im Kader und da ist einer davon Löwen“, sagte er den „Nürnberger Nachrichten“ nach dem Spiel gegen Düsseldorf. Die 0:7-Klatsche in Dortmund hatte Löwen dann wieder in die Startformation gespült. Das Kollektiv steht in Nürnberg über allem – davor ist auch der mit einer Reservistenrolle unzufriedene Löwen nicht gefeit. Doch mit Auftritten wie gegen die Fortuna dürfte er seinen Platz in den ersten Elf zukünftig sicher haben.
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