FC Schalke 04

Tedesco hat das Wort!

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Klappe, die x-te! So könnte man das schon fast tennisartige, suboptimale Hin und Her auf Schalke bezeichnen. Ein mediales Kommunikations-Fiasko, dass die Fanbasis spaltet. Das alles steht im Zusammenhang mit dem Wechsel von Benedikt Höwedes zu Juventus Turin, der gestern, am 30.08.2017 bekannt gegeben wurde.

Der Wechsel

Ganz kurz zu den Fakten. Benedikt Höwedes wird nach 16 Jahren (inkl. Jugend) nicht mehr das königsblaue Trikot tragen. Der ehemalige Kapitän wird zur Alten Dame zunächst ausgeliehen. Dafür überweist der italienische Rekordmeister 3.5 Millionen € in den Ruhrpott. Sollte Höwedes zudem auf 25 oder mehr Einsätze kommen, wird die festgelegte Kaufoption zur Kaufpflicht. Weitere 13 Millionen würden fällig werden. Dazu kommen bis zu 3 erfolgsabhängige Millionen. Das scheint aber auch schon das einzige zu sein, was in der Thematik eindeutig und unantastbar ist.

Zwei Lager

Ruhe kennt man in Gelsenkirchen nicht. So auch in diesem Fall. Es folgt eine mediale Diskussion, die das Fanlager weitestgehend in zwei Teile spaltet. Die eine Seite argumentiert zugunsten des Weltmeisters von 2014. Stellt die Frage nach Respekt im Umgang mit einem altgedienten und vereinstreuen Spieler. Die andere Seite äußerst sich Pro Trainer.

Der Knackpunkt

Um das Ganze einzuordnen, ist ein kurzer Querschnitt der Historie seit Amtsantritt Domenico Tedesco’s ratsam. Gegen Ende der Saisonvorbereitung kam es zum ersten Paukenschlag. Absolut unerwartet wurde Ralf Fährmann vom neuen Mann an der Linie als neuer Kapitän benannt. Logischerweise heizte dies die Gerüchteküche an. Verschiedenste Gründe wurden vermutet. Die beiden Kernbegründungen sollen noch einmal angeführt werden. Zum einen vertraten viele die Theorie, dass ein Wechsel des Kapitäns die Persönlichkeit und die sportliche Fähigkeiten eines Benedikt Höwedes stärken könne. Ein Gedanke, den jeder für sich selbst einordnen kann und soll.

Fakt ist, dass ‚Bene‘ in den letzten Jahren wie eine Wand vor der Mannschaft stand und vor allem Kritik staubsaugerähnlich von der Mannschaft fernhielt. Dabei strahlte er unglaubliches Selbstbewusstsein aus. Allerdings wurde man vor allem in letzter Saison das Gefühl nicht los, dass Höwedes diese Last mehr und mehr zu schaffen machte und sein Auftritt auf dem Platz darunter litt. Vom mentalen Aspekt her scheint der Kapitänswechsel also nicht unbegründet. So auch der Denkansatz des Deutsch-Italieners Tedesco.

Bleibt der zweite, faktisch greifbarere Ansatz. Zu sagen, dass ein Kapitän immer auf dem Platz stehen sollte ist nur logisch und legitim. Ein Torwart erfüllt diese Kriterien in der Regel am häufigsten. Seltenst wird auf dieser Position rotiert. Grundsätzlich also ein Argument, das für Ralf Fährmann spricht. Immerhin absolvierte ‚Ralle‘ 49 von 50 Pflichtspielen in der letzten Saison. Allerdings kam auch ‚Bene‘ auf 46 von 50 Einsätzen, 4170 Spielminuten (inkl. der 30 Min Verlängerung in der Euro-League gegen Ajax). Kein einziger Feldspieler kam auch nur im Ansatz auf diese Einsatzzeiten. Also rein von der Verfügbarkeit des Spielers gab es keine Notwendigkeit den Kapitän zu wechseln.

Und doch geschah es.

Höwedes will weg

19. August, 18:30 – Anpfiff zum ersten Ligaspiel mit Kapitän Fährmann. Bereits in diesem Spiel sollte es einen weiteren Anlass für Spekulationen geben. In der 43. Minute eröffnete Nabil Bentaleb mit einem wuchtigen Strafstoß zum 1:0 die Torejagd für die neue Spielzeit. Statt mit dem Team zu feiern, legte der Algerier einen Lauf über das komplette Spielfeld, hin zu Kapitän und Keeper Fährmann und sprang ihm freudestrahlend in die Arme. Viele interpretierten diese Aktion als klares Bekenntnis zum neuen Spielführer. Und indirekt gegen den alten Käpt’n.

Eine öffentliche Klarstellung Fährmanns zeigte auf, dass die Situation ganz anders einzuordnen sei. Ein einfacher Jubel. Ein Jubel der daher rührte, dass Bentaleb und Fährmann extra Schichten schoben, um Elfer zu trainieren. Mit Erfolg. Nicht mehr, nicht weniger.

Zunächst „Ja, mir liegen Angebote aus dem Ausland vor.“, später „Ja, ich möchte Schalke verlassen und wechseln.“ So die Aussagen Höwedes‘ wenige Tage nach dem Auftaktsieg. Dazu eine Pressekonferenz in der der allgemein bekannte Satz „Reisende soll man nicht aufhalten.“ seitens Tedesco fiel. Ein Satz, der folgend eine große Rolle spielte. Medien berichteten, Höwedes wechselte und schob einen Konter via Facebook nach. In einem langen, emotionalen Abschiedstext mit dem Grundtenor „Als Spieler gehe ich, doch als Fan bleibe ich.“ ließ er sich zu einer Spitze gegen Tedesco hinreißen. „Reisende kann man aufhalten, wenn man will.“ gab Höwedes schriftlich zu Protokoll. Zudem führte er auch ganz allgemein an, dass in den letzten Tagen das Vertrauensverhältnis arg, zu arg, auf die Probe gestellt wurde. Er deutet also somit ein tiefer liegendes Problem an.

Coach Tedesco rechtfertigt sich

In einem ausführlichen Interview gegenüber Sport Bild meldete sich nun auch Tedesco zu Wort, wollte seine Möglichkeit nutzen, auf den Seitenhieb von Höwedes einzugehen. „Der Satz ‚Reisende soll man nicht aufhalten‘ war eine allgemeine Aussage im Kontext wechselwilliger Spieler, die einen Klub verlassen möchten. Ich wollte Benedikt damit keinesfalls kränken.“, so der 31-jährige gegenüber der Fachzeitschrift. Tedesco wollte, laut eigener Aussage, ein allgemeingültiges Statement, abseits der Personalie Benedikt Höwedes treffen.

Dabei schien ihm für den Moment nicht bewusst zu sein, wie furchtbar falsch eine solche Aussage verstanden werden kann – und in diesem Fall auch wurde. Darauf angesprochen zeigt sich der Trainer-Youngster einsichtig: „Es hat mich persönlich sehr beschäftigt, dass die Aussage missverstanden worden ist. Sie stand in einem Kontext, wurde jedoch verkürzt wiedergegeben. Das hätte ich wissen können, darum war das unglücklich.“

Zudem stellte Tedesco in der Spieltags-PK zum Auswärtsspiel in Hannover (0:1-Niederlage) klar, dass er mit Höwedes plane, allerdings ohne Stammplatzgarantie, die er keinem Spieler per sé gebe. Drei Tage später wechselte der gebürtige Haltener Höwedes nach Italien. Eine klassische Ausmusterung, zumindest medienoffensiv kann man Tedesco über den gesamten Zeitraum nicht lückenlos vorwerfen, geschweige denn nachweisen.

Höwedes ist weg – und nun?

Fakt ist, Schalke ist nicht für „Alle-haben-sich-lieb“ und „Friede, Freude, Eierkuchen“ bekannt. Meinungseinheit kann man bei Königsblau nicht erwarten. Und das ist gut so. Coach Tedesco hat Kritiker, die mit dem Wechsel ihres Idols mehr geworden sind. Tedesco hat gewollt, oder nicht, bewusst, oder nicht, einen großen Kredit gegenüber den Fans. Einen Kredit, den er hoffentlich begleichen kann. Und das nicht kommunikativ, sondern einzig und allein auf dem Platz. Daran wird er gemessen. Vom Vorstand, von den Fans, von den Medien und vor allem von sich selbst.

Tedesco hat im Umgang mit Höwedes und den Medien Mut bewiesen. Mut, der jetzt auch dauerhaft auf dem Feld zu sehen sein muss. Gegen Leipzig war sowohl taktisch, als auch in der praktischen Umsetzung eine Menge Courage zu sehen. Gleiche fehlte in der HDI-Arena Hannover allerdings komplett. Es bleibt Coach Tedesco zu wünschen, dass das Spiel gegen Stuttgart nach der Länderspielpause erfolgreich verläuft. Sonst kann die Stimmung ganz schnell kippen. Ruhe kennt man in Gelsenkirchen nunmal nicht.

Zum Nachlesen das Interview der Sport Bild mit Domenico Tedesco.

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