St. Pauli und die Qual der Wahl: Selbst der Kapitän sitzt nur auf der Bank
Kaum jemand hatte einen so starken Saisonstart des FC St. Pauli erwartet. 23 Punkte, Tabellenrang Vier und nur einen Zähler hinter einem direkten Aufstiegsplatz. Obwohl die Verantwortlichen den Kader im vergangenen Sommer kaum veränderten, haben sich die Kiezkicker in der Spitzengruppe der zweiten Liga festgesetzt. Zahlreiche Spieler zeigen enorme Leistungssteigerungen im Vergleich zur Vorsaison, in der die Hamburger lange gegen den Abstieg spielten. Dennoch bringt so eine Situation des sportlichen Aufschwungs auch immer Verlierer mit sich. St. Pauli-Trainer Markus Kauczinski hat sein Stammpersonal gefunden und dafür ehemalige Leistungsträger ins zweite Glied befördert.
Nehrig: Unzufriedenheit wächst
„Es wird immer so sein, dass mich eine solche Situation wurmt. Ich bin ein Wettkampftyp und kann daher nicht auf der Bank sitzen“, sagte Bernd Nehrig zu Beginn der Saison, nachdem er den Kampf um einen Stammplatz auf der Doppelsechs in St. Paulis 4-2-3-1-System verloren hatte. Nun kam der 32-jährige Routinier in dieser Spielzeit erst zu vier Einsätzen, davon drei über lediglich eine Minute. Vier Mal stand der Kapitän der Hamburger überhaupt nicht im Kader. Die kommende Partie in Regensburg wird Stellvertreter Johannes Flum aufgrund einer Gelbsperre verpassen. Eigentlich Nehrigs Chance wieder über einen Kurzeinsatz hinauszukommen. Allerdings präferiert Kauczinski wohl den zwölf Jahre jüngeren Ersin Zehir. Nehrigs Unzufriedenheit dürfte wachsen, ein Transfer im Winter scheint nicht ausgeschlossen.
Sahin: Vom Königstransfer zum Bankdrücker
Als der FC St. Pauli Cenk Sahin im Sommer 2016 zunächst per Leihe von Başakşehir verpflichtete, galt der Flügelstürmer als einer der vielversprechendsten Talente der Süper Lig. Er überzeugte die Verantwortlichen des Kiezklubs und wurde im Juli 2017 für die zweithöchste jemals von St. Pauli gezahlte Transfersumme (1,3 Millionen Euro) fest verpflichtet. In seinen ersten beiden Jahren absolvierte Sahin noch 27 und 23 Zweitligaspiele, die meisten davon von Anfang an. Immer wieder bremsten ihn jedoch Verletzungen und Sperren in seiner Entwicklung aus.
In dieser Saison kam er in 13 Spielen siebenmal zum Einsatz, nur zweimal stand er dabei in der Startelf. Seine Konkurrenz auf den offensiven Außenbahnen ist riesig und ausgerechnet jetzt kommt auch noch Konkurrent Waldemar Sobota von einer langfristigen Verletzung zurück. Sahin hat das Potential, sich einen Stammplatz zurück zu erkämpfen. Ob er das in Leistung auf dem Platz umwandeln kann, wird sich zeigen. Der Türke muss sich wohl zunächst weiterhin über Kurzeinsätze empfehlen.
Veerman: Top-Scorer und trotzdem nur Joker
Mit vier Toren und drei Assists in elf Zweitligaspielen hat Henk Veerman eine hervorragende Quote. Wenn der 2,01-große Niederländer auf dem Platz steht, vermittelt er vor allem körperliche Präsenz. Aber auch technisch zeigt der Mittelstürmer gute Anlagen, seine Torvorbereitungen sprechen für sich. Obwohl Veerman mit sieben Punkten die Scorerliste der Kiezkicker anführt, bringt Kauczinski ihn regelmäßig nur als Joker von der Bank.
Erst dreimal durfte der Niederländer von Anfang an ran, zuletzt am fünften Spieltag in Aue. Seitdem setzt Kauczinski auf Dimitrios Diamantakos oder Sami Allagui in der Startelf. „Wir haben diese Diskussion ja schon länger. Sami und Henk ergänzen sich gut. Der eine mehr drumherum, der andere mehr in der Spitze“, bewertet der St. Pauli-Trainer die Situation. Da im 4-2-3-1-System nur Platz für einen Stürmer ist, kann auch nur einer der drei Angreifer das Spiel beginnen. Sollte Veerman allerdings seine ausgezeichnete Torbeteiligungen-Quote beibehalten, ist es sicherlich nur eine Frage der Zeit, bis der 27-Jährige auch wieder eine Chance von Beginn an bekommt.