Der bisherige Start in die noch junge Saison verlief für Hannover 96 mehr als zufriedenstellend. Dem 6:0-Kantersieg im Pokal beim Drittligisten Karlsruher SC ließ man in der Bundesliga zwei beachtliche Remis folgen. Zunächst das 1:1 in Bremen, dann ein 0:0 zuhause gegen Dortmund. Nur die wenigsten hatten das dem Vorjahresaufsteiger zugetraut, für viele Beobachter galt Hannover zuvor als akut abstiegsbedroht. Dies war auch auf die Transferpolitik von 96-Manager Horst Heldt zurückzuführen. Etliche Leistungsträger wurden abgegeben, spektakuläre Zugänge blieben hingegen aus. Zeit, die Neuverpflichtungen der Niedersachsen genauer unter die Lupe zu nehmen.
Der Abgang von Abwehrchef Salif Sané (Schalke) wirkt bis heute nach. Der großgewachsene Senegalese war jahrelang der unumstrittene Fixpunkt in der 96-Defensive. Neben dem 1,96-Hünen verließ mit Teilzeitkraft Florian Hübner (Union Berlin) ein weiterer Innenverteidiger den Verein. Heldt hat sich angesichts des Kreuzbandrisses von Timo Hübers und dem stetigen Verletztendasein von Felipe nur unzureichend um Ersatz bemüht. Zwar konnte mit dem 25-jährigen Österreicher Kevin Wimmer (Stoke City) ein gestandener Abwehrrecke mit Kaufoption ausgliehen werden. Wimmer kennt den deutschen Fußball bereits aus seiner Zeit beim 1. FC Köln und hat sofort gezeigt, dass er eine Verstärkung darstellt.
Doch außer der festen Verpflichtung von dem schon in der letzten Rückrunde ausgeliehenen Kroaten Josip Elez (Rijeka) kam unverständlicherweise kein weiterer Innenverteidiger. Immerhin hatten beide ihre Bundesligatauglichkeit zuvor bereits nachgewiesen. Damit ist die Abwehrzentrale mit dem neuen Kapitän Waldemar Anton, Wimmer und Backup Elez arg dünn aufgestellt. 96 ist noch immer auf der Suche nach (nunmehr vereinslosen) Innenverteidigern. Denn Trainer André Breitenreiter präferiert es wie zuletzt gegen Borussia Dortmund, auf Dreierkette umstellen zu können.
Sinnvoll verstärkt haben sich die Niedersachsen dafür auf den Mittelfeldpositionen. Auf der Sechs sorgt der Sechs-Millionen-Transfer Walace (Hamburger SV) für defensive Stabilität. Der 23-jährige Brasilianer ist gesetzt, hat noch keine Pflichtspielminute verpasst und rechtfertigt das Vertrauen bisher mit guten Leistungen. Der Abgang von Manuel Schmiedebach fällt hingegen nicht ins Gewicht. Das 96-Urgestein hatte schließlich immer mehr den Anschluss verloren und wurde daher an Union Berlin verliehen.
Hannover hat im Sommer mit Felix Klaus seinen wichtigsten offensiven Mittelfeldmann an Wolfsburg verloren. Die Abgänge von Kenan Karaman (Düsseldorf) und Sebastian Maier (Bochum) sind dagegen leicht zu verschmerzen. Heldt holte Genki Haraguchi (Hertha) mit der Empfehlung von über 90 Einsätzen im deutschen Oberhaus für 4,5 Millionen Euro zu den Roten. Ein stolzer Preis für jemanden, dem in dieser Zeit nur vier Tore und acht Assists gelangen. Haraguchi ist ein durchschnittlicher Bundesligaspieler und dürfte auch an der Leine keine allzu großen Bäume ausreißen. Nicht ohne Grund war der 27-jährige Japaner zuletzt an den Aufsteiger Düsseldorf ausgeliehen. Bei 96 kam der Linksaußen auch verletzungsbedingt bisher lediglich eine halbe Stunde zum Einsatz.
Eingewechselt wurde er in Bremen für den Shootingstar der Niedersachsen – Linton Maina. Der 19-Jährige Flügelstürmer wurde vor der Vorbereitung von der U19 zu den Profis hochgezogen und bereichert die 96-Offensive bislang mit Tempo und Spielwitz. Gegen Karlsruhe und Dortmund spielte der unbekümmerte Maina durch und überzeugte. Einziger Wermutstropfen: eine Torbeteiligung lässt noch auf sich warten. Dennoch stellt der gebürtige Berliner eine unerwartet vielversprechende Verstärkung dar.
Ähnliches erhofft man sich von Florent Muslija, der am Deadline-Day für 1,4 Millionen Euro von Pokalgegner KSC verpflichtet wurde. Der 20-Jährige ist ein ähnlicher Spielertyp wie Maina, zudem sind beide aktuelle deutsche U20-Nationalspieler. Gegen den BVB stand Muslija noch nicht im Kader. Trotz seines Potenzials dürfte Muslija es schwer haben, sich ohne Anlaufzeit in der Bundesliga zu behaupten.
In vorderster Front hat sich an der Leine am meisten verändert. Es galt den Abgang von Martin Harnik (Bremen) zu kompensieren. Zwar konnte mit Niclas Füllkrug der Top-Torschütze gehalten werden. Doch darüber hinaus verließen die verletzungsanfälligen Charlison Benschop (Ingolstadt) und Jonathas (ausgeliehen an Corinthians) den Verein. Als Ersatz wurden der zuletzt an Stuttgart ausgeliehene Takuma Asano (Arsenal) und Bobby Wood (ausgeliehen vom Hamburger SV) verpflichtet. Beide werden zukünftig eine Schippe drauflegen müssen.
Asano stand zwar in allen drei Saisonspielen in der Startelf, konnte jedoch nur im Pokal überzeugen. Wood kam zur Halbzeit gegen Dortmund für Asano in die Partie, enttäuschte allerdings ebenso. Im Pokal gab Wood als Joker immerhin eine Vorlage – für Senkrechtstarter Hendrik Weydandt. Der 23-jährige Nobody wurde erst Anfang September mit seinem ersten Profivertrag ausgestattet und lief zuvor für die zweite Mannschaft von 96 auf. Der Stürmer hat als Joker bereits dreimal getroffen. Wunderdinge sollte man vom 1,95-Meter-Mann zwar nicht erwarten, doch er hat angedeutet, dass er sich auf Top-Niveau zu behaupten weiß. Zusammen mit Füllkrug könnte er vor allem in Heimspielen ein wuchtiges Sturmduo bilden.
Abgesehen von Walace sind es mit Maina und Weydandt zwei Spieler ohne Ablöse, die bislang überzeugten. Sie werden wie das gesamte Team vor der Herausforderung stehen, die gezeigten Leistungen zu bestätigen. Das Abwehrzentrum ist trotz Wimmer unterbesetzt – Daher könnte noch ein vereinsloser Innenverteidiger zum Team stoßen. Asano und Wood brauchen wohl noch Anlaufzeit. Haraguchi sollte es vorerst schwer haben, den Youngster Maina zu verdrängen. Muslija könnte den Durchbruch schaffen. Auf Breitenreiters Pläne mit Weydandt darf man gespannt sein. Die meisten Neuzugänge haben die Mannschaft wie vorgesehen punktuell verstärkt. Alles in allem stimmen die Leistungen der ersten Spiele zuversichtlich, dass der Kader für einen Platz im gesicherten Mittelfeld reicht.
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