Trainerwechsel im Unterhaus – Pauli-Coach Schultz: „Ob das so gut ist…“
Es ist ein Paukenschlag in der 2. Bundesliga, als Liga-Neuling Aleksey Shpilevski am vergangenen Sonntag nach Aues 1:4 gegen Tabellenführer Paderborn entlassen wird. Zuvor war der 33-Jährige mit seinem Team in sieben Ligaspielen sieglos geblieben. Die Folge: Präsident Helge Leonhard zieht sehr früh in der Saison die Reißleine. Zwischen Abpfiff und Shpilevskis Freistellung liegen kurioserweise lediglich 15 Minuten. Im Erzgebirge schenkt man nun bis auf weiteres dem bisherigen Co-Trainer Marc Hensel das Vertrauen. Dass es im Unterhaus innerhalb der letzten Woche noch zu weiteren Trainerwechseln gekommen ist, sieht Pauli-Coach Timo Schultz äußerst kritisch.
„Nur drei Trainer, die länger als ich dabei sind“
Am vergangenen Samstag will Holstein Kiel, letzte Saison erst in der Relegation am 1. FC Köln gescheitert, im Heimspiel gegen Hannover 96 endlich den Turnaround schaffen. Den Start hat die KSV mit fünf Punkten aus sechs Spielen schließlich gehörig in den Sand gesetzt. Doch es soll noch schlimmer kommen. Nach der frühen Roten Karte für Torwart Ioannis Gelios sieht Kiel gegen die Niedersachsen kein Land mehr, am Ende gehen die Störche mit 0:3 baden. Zwei Tage später legt Ole Werner sein Amt freiwillig nieder.
Nach zuletzt drei Pleiten in Serie kommt es am Dienstag dann auch in Sandhausen zu einem doppelten Trainerwechsel. Die im Profifußball ohnehin ungewöhnliche Doppelspitze aus Gerhard Kleppinger und Stefan Kulovits hat ausgedient, der Drittletzte mit Alois Schwartz mittlerweile seinen früheren Erfolgscoach zurückgeholt.
Für Schultz stehen jene Geschehnisse sinnbildlich für den problematischen Umgang mit Trainern. „Es gibt in Heidenheim, Regensburg und Karlsruhe nur noch drei Trainer in der Liga, die länger als ich dabei sind», sagte der 44 Jahre alte Coach des FC St. Pauli am Donnerstag in Hamburg. „Das zeigt die Schnelllebigkeit dieses Geschäfts“, meinte Schultz, der selbst erst seit Sommer 2020 für den Kiez-Klub an der Seitenlinie steht.
Schmidt, Selimbegovic und Eichner eint die Treue
In Heidenheim hat Frank Schmidt bereits seit sagenhaften 14 Jahren das Sagen. Davon ist Amtskollege Mersad Selimbegovic, seit Sommer 2019 Chefcoach in Regensburg, natürlich noch weit entfernt. Christian Eichner hatte beim KSC im Februar 2020 zunächst interimsweise übernommen und wurde dann nach Saisonende fest installiert.
Was inklusive Schultz alle gemeinsam haben: Ihr Lebenslauf ist mit ihrem jeweiligen Klub in vielfacher Hinsicht regelrecht verwoben. Schmidt beendet 2007 seine Spielerkarriere in Heidenheim und führt den Verein aus der Oberliga fast bis in die 1. Bundesliga. Eichner spielt mit dem KSC selbst noch im Oberhaus und ist am Wildpark später insgesamt drei Jahre als Co-Trainer tätig. In den mit Abstand meisten jener 120 Partien assistiert er dabei übrigens einem gewissen Alois Schwartz.
Selimbegovic wiederum kommt 2006 als aktiver Profi aus seiner bosnischen Heimat nach Regensburg, wo er sich aus der Oberliga bis in die 3. Liga hocharbeitet. Nach Karriereende bleibt er dem Jahn erhalten, wird Co-Trainer der zweiten Mannschaft, Nachwuchskoordinator und U19-Coach. Nach zwei Jahren als Assistent bei den Profis übernimmt er das Team 2019 von Erfolgstrainer Achim Beierlorzer, den es zum 1. FC Köln zieht.
Blick auf die Tabelle: Schultz & Co. stehen gut da
Eine emotionale Verbundenheit zum Verein garantiert einem Trainer sicherlich noch keinen Erfolg, sonst wäre Florian Kohfeldt, in Kiel aktuell als Werner-Nachfolger gehandelt, niemals mit Bremen abgestiegen. Deutlich mehr als etwas obligatorische Fußball-Romantik für die leidenschaftlichen Fans ist an jener Idealvorstellung aber offensichtlich dran.
Das Vereinsumfeld, Stadt und Menschen seit Jahren zu kennen, dürfte für einen Chefcoach ein klarer Vorteil sein. Dass Regensburg (2.), St. Pauli (3.) Karlsruhe (5.) und Heidenheim (7.) nach dem 7. Spieltag in der Tabelle aktuell gut dastehen, sollte gleichwohl nicht überbewertet werden. Im Falle des Misserfolgs machen die branchenüblichen Mechanismen bekanntlich vor keinem Übungsleiter Halt.
Im Durchschnitt 15 Trainerwechsel pro Saison
Während der Saison 2020/21 gab es in der 2. Bundesliga insgesamt zwölf Trainerwechsel, im Oberhaus waren es sogar 14. Ganze elf Zweitligisten tauschten in diesem Sommer nach Saisonende ihren Chefcoach aus, was den zweithöchsten Wert seit Bestehen der eingleisigen 2. Bundesliga im Jahr 1981 bedeutet. Im Corona-Sommer 2020 waren es allerdings nur drei, der Durchschnitt liegt in der Zweitliga-Historie bei 5,6. Dennoch ist eine hohe Fluktuation auf den Trainerbänken vor allem im Unterhaus kein neues Phänomen.
Statistisch knapp 15 Trainerwechsel finden während einer Zweitliga-Saison statt, in der 1. Bundesliga sind es immerhin neun. Für Schultz (Karriereende als Spieler bei St. Pauli, anschließend Teammanager und Co-Trainer bei der 2. Mannschaft und den Profis, später Chefcoach der U17 und U19) mit Blick auf die jüngsten Geschehnisse um die geschassten Shpilevski, Kleppinger und Kulovits sowie dem zurückgetreten Werner offenbar nicht nachvollziehbar: „Ob das immer so gut ist, wenn man auf der einen Seite von Konstanz spricht und etwas aufbauen möchte, auf der anderen Seite aber den wichtigsten sportlichen Funktionsträger permanent austauscht, sei einmal dahingestellt.“
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