Hinrundenfazit: Das Dortmunder Missverständnis mit Peter Bosz
Im Sommer gab es aus verschiedenen Gründen auf der Trainerbank von Borussia Dortmund eine Veränderung. Nach dem Ende von Thomas Tuchel sollte mit dem offensiv ausgerichteten Peter Bosz eine neue Ära geprägt werden. Es wurde das größte Missverständnis der Vereinsgeschichte. Nach einem phänomenalen Start kam es zu einem ebenso rapiden Abstieg und dem Ende des Niederländers.
Bester Saisonstart der Vereinsgeschichte
An den ersten sieben Spieltagen hatte der von Ajax Amsterdam gekommene Peter Bosz es geschafft, die am Ende der vergangenen Saison verkrampfte Mannschaft zu berauschendem Fußball anzuleiten. 5:0 gegen den 1. FC Köln, 6:1 gegen Borussia Mönchengladbach – der BVB schwebte im siebten Fußballhimmel. Angesichts von fünf Punkten Vorsprung reiften Träume, die Dominanz des FC Bayern München in der Liga beenden zu können.
Doch der Höhenflug ging abrupt in einen Sturzflug über, wie er selten zu sehen war. Aus fünf Punkten Vorsprung wurden innerhalb von acht Spielen 13 Punkte Rückstand. Das 4-3-3-System, an dem Bosz zunächst festhielt, erschien allzu leicht zu knacken. Nach langen Bällen wirkte die weit aufgerückte Abwehr oft völlig planlos und es herrschte Chaos. Zwei blamable 1:1-Unentschieden gegen APOEL Nikosia, der Abstieg aus der Champions League in die Europa League, das 4:4 gegen den FC Schalke 04 nach 4:0-Führung: Es waren Mosaiksteinchen eines am Ende verheerenden Gesamtbildes und dem frühzeitigen Ende von Trainer Bosz.
Ein Revierderby für die Ewigkeit
Das epische 4:4-Remis zwischen Borussia Dortmund und dem FC Schalke 04 samt historischer Aufholjagd war ein Revierderby für die Ewigkeit. Zum ersten Mal überhaupt in der Bundesliga-Geschichte konnte eine Mannschaft nach einem 0:4-Pausenrückstand noch einen Punkt holen.
Den Borussen fiel es nach Abpfiff sichtlich schwer, die Sprache überhaupt wiederzufinden. Und als Nuri Sahin erklärte, es sei „fatal, dass wir einem Gegner noch ein Stück vom Kuchen geben, der schon am Boden lag“, sprach der traurig-leere Blick des Mittelfeldspielers Bände.
Zuvor hatte der BVB binnen 14 Minuten in neuer 3-4-3-Formation die bislang so sichere königsblaue Defensive pulverisiert, dem Rivalen gleich vier Treffer eingeschenkt und Christian Heidel mächtig ins Grübeln gebracht. „Beim Stand von 0:4 habe ich schon überlegt, wie ich das hinterher verkaufen kann“, sagte der Schalker Manager nach dem Abpfiff.
Doch es kam anders: Naldos Abseitstreffer nach 54 Minuten war so etwas wie eine Initialzündung. „Kommt Männer“, habe er zu seinen Mitspielern gesagt, „wenn wir vielleicht auch nicht vier Tore machen, dann aber zumindest noch eins oder zwei.“ Der Anschlusstreffer von Guido Burgstaller nach 61 Minuten war noch eher eine Ergebniskorrektur. Doch mit dem Anschlusstreffer von Amine Harit begann auf der einen Seite das große Zittern und auf der anderen die große Hoffnung. „Beim 2:4 fängst du an zu überlegen. Nach dem 3:4 haben wir dann alle daran geglaubt“, schilderte Tedesco seinen Gefühlswandel. In der Nachspielzeit war es dann wieder Naldo, der den Wahnsinn perfekt machte und in der vierten Minute der Nachspielzeit zum 4:4 einköpfte. Der Rest war Jubel, Partystimmung, Gejohle in Königsblau – und Untergangsstimmung auf der anderen Seite.
Neuanfang mit Peter Stöger
Nach der Entlassung von Peter Bosz kam es zu einer Überraschung: Der erst kurz vorher beim 1. FC Köln geschasste Peter Stöger übernahm beim BVB. Statt Abstiegskampf heißt es nun Europa League für den Österreicher. Zum Debüt durfte er sich über ein 2:0 freuen. Für drei Punkte hatte er mit den Geißböcken noch 14 Spiele gebraucht. Ganz geheuer ist der rasante Tausch der Vereinsfarben für Stöger noch nicht. „Das ist schon eigen, auch jetzt muss ich das noch sagen“, gab er zu.
Auch das zweite Spiel konnte unter Peter Stöger gegen die TSG 1899 Hoffenheim mit 2:1 gewonnen werden. Kapitän Marcel Schmelzer erklärte, Stöger habe den Spielern eingeimpft, nicht so einfach Gegentore herzuschenken – hinten müsse die Null stehen. Zwar ist das Arbeitspapier des 51-Jährigen nur bis Saisonende datiert, jedoch ist es möglich, dass dieses bei einer erfolgreichen Rückrunde verlängert wird.
Nachholbedarf in der Abwehr
Der BVB muss definitiv in der Abwehr nachbessern. 21 Gegentore allein in den acht sieglosen Partien, dazu (mit Ausnahme dem Spiel gegen Mainz) seit September in der Liga nicht mehr zu Null gespielt. Neuzugang Ömer Toprak brachte nicht die erhoffte Ruhe und Stabilität in die Abwehr der Dortmunder. Mit Yerry Mina haben die Dortmunder bereits das Objekt der Begierde auserkoren. Der 23-jährige Kolumbianer möchte den nächsten Schritt in seiner Karriere machen und nach Europa wechseln. Jedoch steht einem Wechsel der FC Barcelona im Weg. Dieser hat ein Vorkaufsrecht auf den jungen Innenverteidiger.
Fazit der Hinrunde
Dank des perfekten Starts des neuen Trainers Peter Stöger schloss der BVB die Hinrunde, mit einem Zähler mehr als in der Vorsaison, auf Rang drei ab. Nach der heftigen Krise, die die Dortmunder nach dem besten Start der bisherigen Vereinsgeschichte erwischt und den erst im Sommer verpflichteten Trainer Peter Bosz das Amt gekostet hatte, kommt die Platzierung einem Wunder gleich.
Weniger gut sieht es dagegen in den Pokalwettbewerben aus: Achtelfinal-Aus im DFB-Pokal, „Abstieg“ in die Europa-League als schlechtester Champions-League-Dritter. In der Abwehr muss zudem nachgebessert werden. Mit 23 Gegentoren besitzt man die fünftschlechteste Abwehr der Bundesliga.