Schalkes verzweifelte Jagd nach Sündenböcken – Teil 04
Nachdem wir die Analyse der Spieler hier (Teil 1) und hier (Teil 2), sowie die Einordnung der Arbeit von Christian Heidel (hier) vorgenommen haben, ist dies unser letzter – der 04. – Teil für euch.
Neu-Coach Markus Weinzierl
Weinzierl kam im Sommer für eine Rekordablöse von 3 (nach anderen Medienberichten sogar 5) Millionen Euro vom FC Augsburg und galt als Schalker Wunschtrainer. Ausgemacht hat ihn vor allem Understatement. Soll heißen Ruhe in schwierigen Situationen und immer eine klare Idee. Wir wollen ihm bei beidem nicht unterstellen, dass er das nicht hat. Aber es ist schwer zu erkennen. Unter Ruhe in schwierigen Situationen verstehen wir zum Beispiel nicht, Schuldzuweisungen öffentlich vorzunehmen. Weinzierl hat sich hier bereits über mehrere Spieler geäußert. Unter anderem bekamen Breel Embolo, Benjamin Stambouli und Max Meyer ihr Fett weg.
Außerdem stellen ihm auch viele Schalker seine Mentalität infrage. Schalke ist Ruhrpott, Schalke ist Kessel, Schalke ist Emotion. Ein wenig befremdlich wirkt hier das Designer-Sakko mit den Händen in der Hose und die weitgehend ruhige Art und Weise an der Seitenlinie. Durchhalteparolen hört man Auf Schalke nach schwachen Auftritten, wie zum Beispiel in der aktuellen Situation nicht gerne. Lieber hätte man einen Trainer, der extern auf den Tisch haut, sagt, dass man bescheiden gespielt hat und das dann intern aufarbeitet. Allerdings kann gerade im Abstiegskampf besonnenes Verhalten Gold wert sein. OHNE Schuldzuweisungen.
Systemschwäche?
Der Kritikpunkt, den Weinzierl sich gefallen lassen muss, ist das aktuelle Spielsystem. Das aktuelle Spielsystem – in Ziffern ausgedrückt – 3-1-4-2 ist zuletzt mehrfach in seinen Schwächen ad absurdum geführt wurden. Das ist unter anderem in Gladbach ganz deutlich aufgezeigt worden. Eine Kritische Position ist hierbei die 6er Position. Kommt es hier zum Ballverlust, wie beim zwischenzeitlichen 1:3, dann brennt der Baum. In der Dreierkette stehen zwar mit Nastasic, Badstuber und Höwedes drei zweikampfstarke Innenverteidiger, die aber, wenn sie in ein Laufduell verstrickt werden, wie zum Beispiel gegen Rafael oder Johnson, in arge Schwierigkeiten kommen.
Ein weiteres Problem sind die Flügelspieler. Dieses System sieht pro Seite nur einen Flügelspieler vor. Das bedeutet zum einen weite Wege, denn im Angriff sollen von außen Flanken in Richtung Burgstaller oder auch Goretzka geschlagen werden. Allerdings wird in der Defensive auch die Mitwirkung von Kola und Schöpf gefordert. Das wird vor allem bei einem Ballverlust auf dem Flügel zum Problem. Mit einem schnellen Außenspieler und wenigen Pässen ist der einzige Sechser (zumeist Benjamin Stambouli) schnell überspielt und der Flügel, wo der Ballverlust passierte, schnell frei, sodass ein Dribbling bis zur Grundlinie gut und schnell machbar ist. Ein scharfer Flachpass oder eine gezielte Flanke in den Strafraum sorgt dann in jedem Fall für Gefahr.
Opfer des Systems
Beides sind Szenarien, die zuletzt zu Gegentoren geführt haben. Außerdem kommen einige Schalker Spieler in diesem System nicht zur Geltung. Da die aktuellen Flügelpositionen die Abdeckung der kompletten Außenbahnen fordern, fallen hier die Außenstürmer Eric Maxim Choupo-Moting und Yevhen Konoplyanka hinten runter. Ein wirklicher Zehner als Bindeglied zwischen Mittelfeld und Sturm fehlt momentan auch. Somit hat man im Moment auch für Max Meyer wenig Verwendung. Donis Avdijaj ist zwar im Abschluss etwas stärker, bekleidet aber eigentlich auch die Kreativposition zwischen Sturm und den beiden Achtern Goretzka und Bentaleb.
Die Sturmpositionen erfordern im Moment ein hohes Laufpensum und aktive Beteiligung im Spielaufbau. Damit fallen hier Strafraumstürmer hinten runter. In diese Kategorie lässt sich Routinier Klaas-Jan Huntelaar einordnen. Auch Franco Di Santo fällt hier mit Abstrichen mit rein. Seine Arbeitsrate ist zwar deutlich größer als beim Hunter, der Argentinier ist aber auch jemand, der im Strafraum gefüttert werden muss. Die zweite Sturmposition – im Moment durch Daniel Caligiuri besetzt – lässt auch Fragen nach ihrer genauen Definition zu. Sie wirkt ein wenig wie eine Allrounder-Position. Mal als wirklicher zweiter Stürmer, mal als falsche 9, mal als weiterer Flügelspieler. Wirkt schon fast ein wenig ideenlos.
Was wäre eine Alternative?
Als ein möglicherweise funktionierendes System würden wir ein 4-2-3-1 oder ein 4-1-4-1 vorschlagen. Für das 4-2-3-1 spricht zum einen die doppelte Besetzung der Flügel, aber auch die vorhandene Zehnerposition. Zudem ist man mit der Doppelsechs vor der Abwehr bei Kontern stabil abgesichert. Über die offensiven Flügel ist man so variabel. Will man ein Flankenspiel spielen, dann bietet sich Klaas-Jan Huntelaar als kopfballstarker Stürmer an. Will man eher durch die Mitte über den Zehner spielen, bietet sich ein laufstarker Stürmer an. Wie zum Beispiel Guido Burgstaller oder Franco Di Santo.
Für das 4-1-4-1 spricht ebenfalls die doppelte Besetzung der Flügel. Trotz fehlender Zehnerposition darf man dieses System als das etwas offensivere ansehen. Das doppelt besetzte zentrale Mittelfeld mit einem einzigen 6er dahinter bietet im Spielaufbau mehr Möglichkeiten. Außerdem lässt sich je nach offensiver Auslegung der Offensiv-Flügel einfach ein 4-3-3 herstellen. So kann man entweder das Flankenspiel forcieren oder in der Manier eines Arjen Robben von den Flügeln nach innen ziehen und so den Abschluss suchen oder den finalen Pass in den Straufraum spielen. Beides Spielarten, die für einen Yevhen Konoplyanka oder Choupo sprechen.
Stärkung der Defensive
Auch in der Defensivbewegung haben beide Systeme ihre Vorteile. Durch die doppelt besetzten Flügel sind Konter über außen unwahrscheinlicher. Außerdem hat man in beiden Systemen drei zentrale Mittelfeldspieler, die nach Bedarf nach hinten dicht machen können, sodass auch das Abwehrzentrum zu ist. Hauptpunkt ist, dass man so wieder unbedarfter den Spielaufbau durch die Mitte spielen kann, da man hinten dicht ist. So hat man die notwendige taktische Variabilität, um unberechenbarer Angriff spielen zu können.
Vor allem in Hinblick auf das Spiel in Gladbach, wo zwei Gegentore auf Grundlage von zwei eigentlich einfachen Passfehlern fielen, scheint eine Systemanpassung notwendig. Personal für diese Systeme ist vorhanden. Einziger Knackpunkt scheint momentan noch die Position des rechten Verteidigers zu sein. Ersatzweise bis zur vollständigen Genesung von Coke kann diese durch Benedikt Höwedes oder auch Alessandro Schöpf mit Daniel Caligirui im rechten Mittelfeld besetzt werden. Spätestens zur neuen Saison scheint die endgültige Umstellung des Spielsystems auf jeden Fall denkbar.