Rekordtorschütze Klose: „Kein Trainer hat mich zum Kopfballüben geschickt“
Mit 71 Treffern ist Miroslav Klose der Rekordtorschütze der deutschen Nationalmannschaft. Ein Lautsprecher war der jetzige U17-Trainer des FC Bayern allerdings nie. Bereits am 2. September erschien seine Biografie „Miro“, in der er auf fast 450 Seiten von seinem Werdegang berichtet. Auch im Gespräch mit dem „Stern“ gab der Weltmeister von 2014 nun Einblicke in sein bewegtes Leben.
„Ich bin mehr so der Beobachter“
Der 1978 als Mirosław Józef Klose im polnischen Oppeln geborene spätere Weltklasse-Stürmer kam erst im Alter von acht Jahren „mit Angst“ nach Deutschland. Deutsch konnte er nicht, „nur Ja und Danke“. Klose wurde zwei Klassen zurückgestuft, bei seinen Mitschülern fand er nur schwer Anschluss. Beim Kicken auf dem Schulhof durfte er zunächst „wochenlang nicht mitmachen“, auch in der Nachbarschaft „stand ich eine Ewigkeit am Rand.“ Als es dann drauf ankam, wusste sich Klose jedoch zu behaupten. „Ich bin mehr so der Beobachter“, erklärt er seine zurückhaltende Art damit, dass er zuvor die Bewegungsabläufe der anderen hochaufmerksam studiert hatte. „Das habe ich mein ganzes Leben lang so gemacht, in allen Bereichen.“
Der junge Klose „war bereit, kleine Etappen zu gehen. Von Blaubach nach Homburg nach Kaiserslautern“, skizziert er seine ersten Stationen. Klose, der seine Zimmermannslehre bravourös abschloss, schien nach den Sternen greifen zu wollen. „Mein Vater sagte immer: Du musst noch viel lernen. Er wollte mich und sich vor Enttäuschungen bewahren.“ Doch nach dem Wechsel zu Homburg gab es für ihn ab 1998 „nur noch Fußball.“ Auf unterklassiger Ebene „wurde ordentlich geholzt“ und mit absichtlichen Fouls „Karrieren beendet. In der Zeit bin ich groß geworden.“
Klose 2002 im Clinch mit Kapitän Ballack
Der ruhige Zeitgenosse fand sich überall zurecht, denn „wenn mir Sachen nicht gefallen, spreche ich sie an“. Vor der WM 2002 geriet er nach einem Fehlschluss im Training mit Michael Ballack aneinander, weil der damalige Kapitän anschließend „hinter meinem Rücken komische Zeichen zu Rudi Völler machte, nach dem Motto: Trainer, was willst du mit so einem?“. Kloses direkte Botschaft an Ballack: „Wenn du das nochmal machst, pack ich dich im Training auch mal härter an.“ Das Turnier wurde Kloses großer Durchbruch, erstmals brillierte der Salto schlagende Stürmer mit seiner enormen Kopfballstärke vor einem Millionenpublikum. „Harte Arbeit. Das war mein eigener Impuls, kein Trainer hat mich zum Kopfballüben geschickt.“
Nach drei Jahren in Bremen wohnte er 2007 in München mit Luca Toni und Franck Ribery „die ersten drei Monate im Hotel zusammen.“ Louis van Gaal machte ihn zum Bankdrücker. In dieser „lehrreichen Zeit“ war die Nationalmannschaft „mein eigentlicher Verein. Ich war wie ein Tier, das aus dem Käfig gelassen wird“, erinnert er sich. 2011 wechselte Klose zu Lazio Rom. Zwei Jahre darauf gewann er im Derby della Capitale den italienischen Pokal. Im Zuge der Begeisterung kam es später sogar dazu, dass ein Postbote, dem Klose die Tür geöffnet hatte, „auf die Knie ging und mir den Fuß küsste“.
„Dann interessiert der Titel keinen mehr“
Mit 36 Jahren war der WM-Rekordtorschütze (16 Tore) schließlich ganz oben angekommen. Der Triumph in Rio „fühlte sich erstmal nicht wie ein Sieg an, sondern eher so, dass eine Last von mir gefallen war“. Nachdem er die vorherigen Jahre „so viel investiert hatte und so oft gescheitert“ war, verspürte er große Dankbarkeit. „Zweimal WM-Dritter, einmal Zweiter. Endlich hatte ich etwas Greifbares in der Hand.“ Seinen anschließenden Rücktritt bereut er nicht. „Hätte ich da weitergemacht und schlechte Spiele abgeliefert, interessiert der Titel keinen Menschen mehr.“ Als Jugendtrainer ist ihm „die Augenhöhe wichtig.“ Der für seine Bescheidenheit bekannte frühere Ausnahmeangreifer möchte, dass die Spieler jeden mit Respekt behandeln. „Sie sollen sich nicht als etwas Besonderes fühlen“.