Ex-Fortune Jerome Kiesewetter spielt jetzt beim Beckham-Klub: „Hatte auch andere Möglichkeiten“
Seit diesem Jahr nimmt der MLS-Franchise-Klub Inter Miami offiziell am Spielbetrieb der amerikanischen Profiliga teil. Auch wenn der Start in die neue Saison bislang nicht optimal verlief (ein Sieg und zwei Niederlagen), sind die Ambitionen beim Klub von Präsident David Beckham hoch. So ist langfristig die Meisterschaft das Ziel des neugegründeten Vereins. Erst kürzlich setzte Miami mit der Verpflichtung des französischen Weltmeisters Blaise Matuidi ein Zeichen an die Konkurrenz. Ebenfalls Teil der Mannschaft ist Jerome Kiesewetter.
Der 27-Jährige stammt aus der Jugend von Hertha BSC und stand bereits für den Hauptstadtklub, Fortuna Düsseldorf und den VfB Stuttgart auf dem Platz. Im Fussballdaten-Interview spricht der Angreifer jetzt über die Saisonziele und. seine persönliche Meinung zum Aufschwung der MLS. Außerdem erklärt er, wie es zu seinem Wechsel in die USA kam.
Jerome Kiesewetter: „Für Miami oder Los Angeles hätte ich auch umsonst gespielt“
In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag stand die Partie zwischen Inter Miami und Atlanta United an. Kurz vor Spielbeginn wurde jedoch entschieden, dass die Partie aus Protest nicht stattfinden wird. Nur kurz zuvor hatten Orlando und Nashville die Ligapartie noch ganz normal beendet. Wie kam es dazu?
Kiesewetter: Der Boykott kam relativ plötzlich. Vor dem Spiel wussten wir noch nichts. Das Ganze hat dann relativ schnell Fahrt aufgenommen, dadurch dass andere Ligen den Spielbetrieb ebenfalls eingestellt haben. Die Mannschaften an der Westküste hatten natürlich einen kleinen Zeitvorteil und haben ebenfalls gesagt, dass sie nicht spielen werden. Wir hingen dann so ein bisschen in den Fäden und mussten möglichst schnell eine Entscheidung treffen.Wir dachten eigentlich, dass Orlando auch nicht spielen wird, die sich dann leider doch anders entschieden haben. Ich bin sehr froh und auch stolz auf meine Mannschaft, diesen Schritt dann gewählt zu haben, nicht anzutreten. Ich denke zusammen kann man mehr erreichen, als wenn jeder sein eigenes Ding macht.
Du spielst nun seit fast einem Jahr für Inter Miami. Zuvor standest du bei dem amerikanischen Zweitligisten El Paso unter Vertrag. Dort hattest du eine relativ erfolgreiche Zeit, die fast mit dem Aufstieg gekrönt wurde. Wie kam es letzten Endes zu dem Wechsel?
Bereits bei meinem Transfer zu El Paso habe ich meinem Trainer direkt gesagt, dass ich auf jeden Fall in die MLS wechseln will, sobald ich ein vernünftiges Angebot habe. Dass es dann Miami wurde, hätte ich mir vor der Saison niemals vorstellen können. Witzigerweise habe ich damals zu ihm gesagt, dass ich für Miami oder Los Angeles auch umsonst gespielt hätte. Dann kam es tatsächlich dazu, dass Miami Interesse hatte und ich nicht lange überlegen musste.
Gleichzeitig muss ich jedoch sagen, dass der Fußball und alles drum herum auch in El Paso ziemlich viel Spaß gemacht hat. Ich hatte dort einen sehr guten Trainer, weshalb ich auch mit einem weinenden Auge gegangen bin. Wir haben es ziemlich weit geschafft, weshalb es mich auch nicht gestört hätte, wenn ich geblieben wäre. Manche Optionen muss man einfach nehmen. Am Ende des Tages hätte ich es vielleicht bereut diesen Schritt nicht versucht zu haben.
Hättest du innerhalb der MLS auch noch andere Optionen gehabt zu wechseln?
Ich hätte auch noch ein paar andere Optionen, aber leider läuft das immer ein bisschen anders als in Deutschland. Es gibt hier immer ein Team, welches die Discovery Rights hat. Auch wenn sie dich dann nicht verpflichten, haben sie deine Rechte und dich somit in der Hand. Sie können mit dir quasi machen, was sie wollen. Jeder Transfer hätte dann über Miami gehen müssen. Diese ganzen Regeln waren mir auch nicht sonderlich bekannt. Um jetzt nicht alles komplizierter werden zu lassen, ließ ich einfach die anderen Optionen weg. Miami war die erste Mannschaft, die mich quasi entdeckt hat. Das war ja auch eine gute Option, weshalb es mir am Ende doch leicht fiel mich zu entscheiden.
Mit David Beckham besitzt Miami einen weltweit bekannten Präsidenten. Zeigt er sich auf dem Trainingsplatz und inwiefern pflegt er auch Kontakt zu den Spielern?
Im Training ist er jetzt oft da gewesen, und vor allem auch bei den Spielen. Während Corona ist er wohl zurück nach England zu seiner Familie gegangen, aber vor Corona hat man ihn oft gesehen. Hin und wieder hat er im Training auch ein paar Worte an uns Spieler gerichtet. Oder auch beim gemeinsamen Mannschaftsessen war er manchmal dabei. Also er ist schon ziemlich involviert.
Jerome Kiesewetter: „Sehe keinen großen Unterschied zu Berlin, Düsseldorf oder Stuttgart“
Die Erwartungshaltung in Miami ist relativ hoch. Immerhin wurde als Ziel die Meisterschaft genannt. Hat sich dabei nach dem ernüchternden Start (zwei Niederlagen und ein Sieg) etwas verändert?
Kiesewetter: Das erste Spiel gegen Los Angeles, die eine relativ gute Mannschaft haben, wurde mit 1:0 verloren. Das zweite Spiel hätten wir wahrscheinlich gewinnen müssen, hätten sogar 2:0 in Führung gehen müssen. Dann kam jedoch eine rote Karte dazu. Jedenfalls sind wir relativ unglücklich in die Meisterschaft gestartet, obwohl wir nicht mal schlecht gespielt haben. Manchmal läuft es halt einfach nicht. Jetzt wollen wir einfach nur versuchen, dass wir es noch in die Play-Offs schaffen. Aufgrund dieses Systems ist es deshalb immer möglich die Meisterschaft zu gewinnen, auch wenn man nicht unbedingt gut gestartet ist.
Die MLS ist in den letzten Jahren viel attraktiver geworden. Man kann fast schon von einem Aufschwung in der letzten Zeit reden. Immer mehr jüngere Spieler aus Südamerika wählen die USA als Sprungbrett für Europa. Auf was für einem Niveau schätzt du die MLS ein?
Also unsere Trainingsbedingungen sind eigentlich wie in der 1. Bundesliga in Deutschland. Vielleicht sogar ein bisschen besser. Im Vergleich zum Trainingsgelände in Berlin, Düsseldorf oder Stuttgart sehe ich keinen großen Unterschied. Durch die finanziellen Mittel ist eben vieles möglich, unter anderem ein großes Trainingsgelände zu errichten. Das Niveau hier wird ebenfalls von Jahr zu Jahr besser. Man erhofft sich hier, dass man sich irgendwann mit europäischen Spitzenteams messen kann.
Denkst du, dass der Aufschwung der MLS auch die US-Nationalmannschaft voranbringt?
Auf jeden Fall. Vor allem wenn ich so sehe, was für Spieler wir mittlerweile haben. McKennie, Pulisic, Brooks sind ja nur ein paar Beispiel von Spielern, die für relativ viel Geld bereits gewechselt sind. Wir haben ein Land mit knapp 300 Millionen Einwohnern, weshalb man eigentlich schon gute Fußballspieler hervorbringen sollte. Das Ganze muss eben gefördert werden. Mittlerweile sind wir auf einem guten Weg.
Jerome Kiesewetter: „Ich hatte auch andere Möglichkeiten in Europa“
Unter Jürgen Klinsmann kamst du zweimal für die Nationalmannschaft zum Einsatz. War die Wahl einfach, nachdem du deine komplette Kindheit und auch Jugend in Deutschland verbracht hast?
Kiesewetter: Für mich war es schon einfach. Besonders durch meine vorherigen Einsätze für die US-Jugendmannschaften fiel mir diese Entscheidung nicht so schwer. Das Land kannte ich bereits auch ziemlich gut, weshalb die Entscheidung im Großen und Ganzen ziemlich einfach fiel.
Nach dem Ende in Düsseldorf warst du knapp ein Jahr vereinslos. Die meisten Spieler, die in Europa aktiv sind, wechseln erst im späten Alter in die USA. Wie kam es damals zum Transfer zu El Paso? Hättest du auch in Europa bleiben können?
Wir sind damals mit Düsseldorf aufgestiegen. Ich habe nach einem Klub gesucht, der mir Spielpraxis ermöglicht und zugleich auf einem hohen Niveau ist. Das hat dann nicht so gut geklappt, wie ich es mir vorgestellt hab. Damals dachte ich mir, bevor ich mit Fußball aufhöre, werde ich auf jeden Fall mal in den USA spielen. Dann kam die Möglichkeit für El Paso zu spielen. Da meine Familie auch in Texas wohnt, wollte ich dieses Abenteuer einfach mal versuchen. Es lief ganz gut mit der Mannschaft, ich hatte auch wieder Spaß am Fußball und dann kam eben das Angebot von Inter Miami. Ich hatte nach meinem Abgang von Düsseldorf auch noch andere Möglichkeiten in Europa. Allerdings nichts was mich unbedingt hingezogen hätte, da meiner Familie nicht unbedingt eine unbekannte Kultur oder andere Sprache antun wollte.
Was sind deine persönlichen Ziel für die Zukunft?
Natürlich steht die Meisterschaft im Vordergrund. Mir persönlich ist es wichtig Spielzeit zu kriegen und mich selbst zu verbessern. Ich habe selber bereits gemerkt wie schnelllebig der Fußball ist, weshalb man nie ein paar Jahre im Voraus planen kann.
Fussballdaten dankt für das Interview!
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