Kaderanalyse Schalke: Saison eins nach Tönnies – Wagner und die Improvisation

David Di Tursi18.09.2020

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Nach guter Hinrunde beendete Schalke die abgelaufene Saison enttäuscht als Zwölfter. Durch die Horror-Serie von 15 sieglosen Spielen war man während der schlechtesten Rückrunde der Vereinsgeschichte sogar in Abstiegsgefahr geraten. Für die kommende Spielzeit kann das Ziel nur das Tabellenmittelfeld sein.

Corona fordert Tribut: Geldsorgen auf Schalke

Große Sprünge sind für die finanziell angeschlagenen Schalker auch wegen den Corona-Einbußen nicht möglich. Man soll Schulden bei Spielerberatern haben, aufgrund der fehlenden Zuschauereinnahmen laufen Gespräche über einen weiteren Gehaltsverzicht.

Im notorisch unruhigen Umfeld ist Sportvorstand Jochen Schneider entsprechend bemüht, Ruhe auszustrahlen und Kontinuität reinzubringen. Die Suche nach einem Finanzvorstand könnte sich drei Monate nach dem Rücktritt von Peter Peters indes dem Ende zuneigen. Mit dem Rücktritt von Vereinsboss Clemens Tönnies ist zudem ein wichtiger Geldgeber weggebrochen. Die Knappen müssen also kleinere Brötchen backen, was man mit der Festlegung einer Gehaltsobergrenze von 2,5 Mio. öffentlich untermauerte.

Wende bei Uth: Wagner setzt auf den Angreifer

David Wagner ist durch die Krise in die Kritik geraten, die verkorkste Vorbereitung macht bis auf das 3:0 gegen Bochum wenig Hoffnung auf Besserung. Der Trainer setzt auf eine Doppelspitze, wobei ausgerechnet Mark Uth stand als einziger Offensivspieler in jedem Test in der Startelf.

Beim Effzeh explodierte Uth als Leihgabe in der Rückrunde mit elf Torbeteiligungen in 15 Spielen, eine feste Verpflichtung ist für die interessierten Domstädter jedoch zu teuer. Auf Schalke hat der gebürtige Kölner immerhin noch einen Vertrag bis 2022 und ist laut Wagner plötzlich wieder fest eingeplant: „Wir sind nicht gesprächsbereit.“

Schalke 2020: Die Rückkehr der Aussortierten

Wagner befindet sich in einem Dilemma und muss somit mangels Alternativen auf mehrere in der Vergangenheit eigens von ihm aussortierten Profis setzen. Dazu zählt neben Uth und Ex-Nationalspieler Sebastian Rudy der begnadigte Nabil Bentaleb, für den schon Wagners Vorgänger Domenico Tedesco und Huub Stevens keine Verwendung mehr hatten.

Fußballerisch über alle Zweifel erhaben, genießt der eigenwillige Algerier schließlich den zweifelhaften Ruf, eine tickende Zeitbombe zu sein. „Nabil bringt sich super ein, auf dem Platz und in der Gruppe“, wiegelt der Coach jedoch ab. „Wir haben einen sehr ehrlichen Umgang miteinander und das ist alles, was ich wollte“, so Bentaleb.

Alles auf Anfang: Fährmann beerbt seinen Nachfolger

Mit der Torwart-Debatte um Alexander Nübel und Markus Schubert hat sich Wagner angreifbar gemacht. Nun wird der einst geschasste Ex-Kapitän Ralf Fährmann, zuletzt an Norwich und Brann Bergen verliehen, die neue alte Nummer eins. Mit Wunschspielern wie Alexander Schwolow (jetzt Hertha) und Kölns Sebastian Andersson (Köln) war man sich angeblich schon einig, doch beide Transfers scheiterten am Geld.

Zugänge

Top-Zugang: Vedad Ibisevic

Bei der Hertha ausgemustert, unterschrieb der 36-Jährige auf Schalke einen stark leistungsbezogenen Einjahres-Vertrag. Sicher keine Investition in die Zukunft, mit der Erfahrung aus 340 Bundesliga-Spielen (127 Tore, 52 Assists) kann der Oldie den Kader aber durchaus verstärken. Mit Goncalo Pacienca wurde aus Frankfurt ein weiterer Stürmer ausgeliehen, die Kaufpflicht soll immerhin bei neun Mio. liegen.

Feste Zugänge

Vedad Ibisevic, Hertha BSC, ablösefrei

Geliehen

Goncalo Pacienca, Eintracht Frankfurt, 2 Mio.

Leih-Rückkehrer

Ralf Fährmann, SK Brann
Hamza Mendyl, Dijon
Sebastian Rudy, Hoffenheim
Steven Skrzybski, Düsseldorf
Mark Uth, 1. FC Köln

Abgänge

Schwerster Abgang: Weston McKennie
Für 4,5 Mio. Leihgebühr ließ man den 22-Jährigen zu Juventus ziehen. Erreicht der italienische Serienmeister die Königsklasse, greift eine Kaufpflicht, durch welche das Transfervolumen (inklusive Boni) auf bis zu 30 Mio. ansteigen kann. Nübel war spätestens nach der Bekanntgabe des Bayern-Wechsels kein sicherer Rückhalt mehr, Routinier Daniel Caligiuri wanderte nach Augsburg ab

Feste Abgänge

Daniel Caligiuri, Augsburg, ablösefrei
Michael Gregoritsch, Augsburg, Leih-Ende
Jonjoe Kenny, FC Everton, Leih-Ende
Juan Miranda, FC Barcelona, Leih-Ende
Alexander Nübel, FC Bayern, ablösefrei
Jean-Clair Todibo, FC Barcelona, Leih-Ende

Verliehen

Weston McKennie, Juventus Turin, 4,5 Mio.
Bernard Tekpetey, Ludogorets Razgrad
Jonas Carls, Vitória Guimarães

Skrzybski Mascarell Ibisevic — Foto: Imago Images

Schalke will raus aus dem Negativstrudel

Das Vakuum an Führungsspielern soll mit Fährmann und Ibisevic gefüllt werden. Große Hoffnungen ruhen auf Nationalspieler Suat Serdar, zuletzt mit sieben Liga-Treffern torgefährlichster Schalker. Benito Raman oder Rabbi Matondo bringen viel Tempo mit, in der Vorbereitung überzeugte Steven Skrzybski mit vier Toren, ebenso Eigengewächs Ahmed Kutucu (drei Treffer). Zur Überraschung könnte der 19-jährige Can Bozdogan avancieren.

Der Kader ist ordentlich besetzt – die finanzielle Schieflage, das Tönnies-Beben sowie die enttäuschende Rückrunde mit der darauffolgenden schwachen Vorbereitung werfen aber ihre bedrohlichen Schatten voraus. Wagner ist daher gezwungen auf eine ganze Reihe Spieler zu setzen, die unter ihm eigentlich keine Zukunft mehr hatten. Angesichts dieser Gesamtgemengelage muss der frühere Europacup-Stammtgast froh sein, sollte er nicht in den Abstiegskampf geraten.

Mögliche Top-Elf