Nach dem furiosen Start mit 19 Punkten aus sieben Spielen träumten die Anhänger von Borussia Dortmund schon von der Meisterschaft. Seitdem gewann das Team von Peter Bosz allerdings nur noch im DFB-Pokal gegen den 1.FC Magdeburg. Am Samstag kommt es zum Duell mit den wiedererstarkten FC Bayern München. Einen ungünstigeren Zeitpunkt für das Spitzenspiel gibt es wohl nicht. Doch wie kommt es zu einem derartigen Einbruch des BVB?
Dortmund begeisterte die Liga. Ein Kantersieg reihte sich an den nächsten. Gerade die mickrigen zwei Gegentore erstaunten die Liga und wahrscheinlich auch die Dortmunder selbst. Denn in diesen Spielen war die Defensive alles andere als sattelfest. Selbst der chronisch angriffsschwache Hamburger SV hatte gute Gelegenheiten. Gleichzeitig war der BVB jedoch in der Offensive effektiv und spielte mit einer Führung im Rücken befreit auf. Ein 5:0 schießt sich bekanntlich bedeutend leichter als das 1:0. Erste Warnsignale erzeugte die Champions-League-Partie bei den Tottenham Hotspur, in welchem die Abwehrreihe die internationale Reife völlig vermissen lies. Harry Kane und Heung-Min Son verwerteten die servierten Chancen schon zu Spielbeginn, sodass die Offensive die defensiven Probleme nicht mehr kaschieren konnte.
Bei Dortmund ist selten ein flächendeckender Defensivplan zu erkennen. In vielen Situationen rücken die Verteidiger wie Axel Zagadou in Hannover unnötig aus der Grundordnung. Die entstandenen Räume nutzte u.a. die Niedersachsen perfekt aus. Neben jenen taktischen Fehlern wirken die Dortmunder in der Defensive nahezu lustlos. Marc Barta verursachte gegen Nikosia vor dem 1:1 an der Mittellinie einen Ballverlust und trabte dem Konter schläfrig nach. Die Zweikampfführung von Jeremy Toljan gegen Bruma vor dem 1:2 von RB Leipzig grenzte an Arbeitsverweigerung. Des Weiteren verpasst das Mittelfeld häufig den Zeitpunkt für ein verkraftbares, taktisches Foul. Folgerichtig kassierte der BVB in den letzten drei Bundesliga-Spielen drei Elfmeter sowie zwei Platzverweise aufgrund einer Notbremse.
Borussia Dortmund hat in dieser Saison zusammen mit der TSG 1899 Hoffenheim die meisten Spieler (25 an der Zahl) eingesetzt. Selbstverständlich wurde diese Fülle an Spielern durch die zahlreichen Verletzungen (Schmelzer, Weigl, Guerreiro, Piszczek) verursacht. Dennoch kreiert Bosz durch Rotation und Einwechslungen häufig unnötige Herausforderungen. In acht von zehn Spielen wechselte er einen Verteidiger aus. Das Auswärtsspiel bei Eintracht Frankfurt fungiert hier als Paradebeispiel. Dortmund lag nach 55 Minuten mit 2:0 in Führung. Unmittelbar danach tauschte er Castro gegen Zagadou und Weigl gegen Kagawa aus. Innerhalb von sieben Minuten stand es 2:2. Bosz findet aktuell keinen Mittelweg zwischen Rotation und Systemfindung. Er schafft es nicht, feste Säulen zu titulieren.
Roman Bürki ist aktuell keine feste Säule. Zurzeit ist der Schweizer so verunsichert, dass er kaum Hilfe für die ständig rotierende Hintermannschaft darstellen kann. Er macht eklatante Fehler in der Strafraumbeherrschung, beim Herauslaufen sowie im Positionsspiel auf der Linie. In der Champions League kassierte er drei Tore in die kurze Ecke. Die Slapstickeinlage in Nikosia dürfte seinen Zustand exakt beschreiben. Zudem verursachte in zwei aufeinanderfolgenden Spielen nahezu denselben Elfmeter. Das Spitzenspiel gegen die Bayern kann eine Therapie für ihn sein. Anders als in gewöhnlichen Spielen wird er viel Beschäftigung erhalten. Dort kann er sich auf seine Kernkompetenz konzentrieren.
Die Kernkompetenz von Pierre-Emerick Aubameyang, aktueller Torschützenkönig der Bundesliga, ist logischerweise das Tore schießen. Aktuell steht der Gabuner mit 10 Treffern wieder an der Spitze dieser Liste. In der Champions League netzte er bisher jedoch erst einmal. Für diese insgesamt elf Tore benötigte Aubameyang 54 Torschüsse. Genau diese Statistik bringt viele Dortmund-Fans zur Verzweiflung. Wo stünde Dortmund, wenn ihr Topstürmer wenigstens einen Drittel dieser Chancen verwerten würde? Zum einen produziert er absurde Fehlschüsse aus nächster Distanz, nur um eine Minute später einen herausragenden Lupfer zu versenken. Der arrogant verschossene Elfmeter im Spiel gegen den FC Augsburg war gewiss die plakativste Szene.
Die Glückseligkeit der Dortmunder hängt in den Spielen oft am seidenen Faden. Durch die vielen Torchancen auf beiden Seiten entscheiden primär tatsächlich Aubameyang und Bürki über Erfolg und Misserfolg. Bosz muss versuchen, das Risiko bei gegnerischem Ballbesitz zu minimieren. Dabei darf er der Mannschaft wiederum nicht die Offensivpower nehmen. Ein Beispiel kann der kommende Gegner sein, der unter Heynckes ein strukturiertes Pressing bzw. Gegenpressing aufzieht. Haben sie offensiv noch ihre Probleme, so ist dem deutschen Rekordmeister die Lust auf den Ballgewinn spürbar anzumerken. Dortmund braucht wieder die Identität aus dem Klopp´schen Heavy Metal Fußball. Der heutige Trainer des FC Liverpool beschwerte sich damals über das Abkupfern seitens der Bayern. Peter Bosz könnte Heynckes nun die Retourkutsche geben.
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