Kommentar: Bosz-Entlassung wäre unangebracht
Die Geschichte von Borussia Dortmund in dieser Saison ist verwirrend. Zwischen tollen Leistungen, die der Spielidee des Trainers Peter Bosz entsprechen und die Fans in Verzückung versetzen und Leistungen, die man nicht einmal an einem Sonntagmorgen in der Kreisliga vertreten kann, liegen manchmal nur einige Tage. Das alles auf den Trainer zu schieben, ist jedoch zu einfach. Ein Kommentar.
Unschuldig ist der Trainer nicht
Um eines vorweg zu nehmen: Ja, auch für mich hat Peter Bosz eine Teilschuld an der aktuellen Situation. Natürlich. Es wäre vermessen zu denken, dass es nicht auch an ihm liegt. Dennoch empfinde ich es als unglaublich, dass gerade in den Sozialen Netzwerken nicht wenige Fans die Entlassung eines Trainers fordern, weil dessen Mannschaft innerhalb von etwas mehr als zwei Wochen größtenteils schlechte Leistungen gezeigt hat. Ein Mann, der für viele von ihnen vor rund einem Monat noch der große Heilsbringer war. Menschlicher und zugänglicher als Tuchel, aber gleichzeitig dennoch eine sportliche Weiterentwicklung der puren „Vollgasveranstaltung“, wie Jürgen Klopp sie immer forderte. Die Mannschaft lässt Peter Bosz allerdings zurzeit hängen.
Aktuell ist nicht viel übrig geblieben von dem vom Niederländer geforderten Pressing. Es scheint fast, als habe sich das Team zu sehr darauf verlassen, dass alles weiterhin wie von Zauberhand funktioniert. Doch das ist nicht der Fall. Ich muss zugeben: Auch für mich ist es ziemlich frustrierend dabei zuzusehen, wie sich die Mannschaftsleistung von Spiel zu Spiel verschlechtert. Es gibt durchaus schönere Szenarien als Fußballfan. Aber viele Anhänger scheinen zu vergessen, dass auch Peter Bosz sich in einer Lernphase befindet. Er trainiert zum ersten Mal in seiner Karriere einen Verein wie Borussia Dortmund. Zum ersten Mal befindet er sich in einer anspruchsvollen Liga wie der Bundesliga. Gebt ihm Zeit, um zu lernen. Gebt ihm Zeit, um seine Ideen anzupassen.
Wenn er es nicht schafft, hat der BVB noch immer genügend Gelegenheiten um die Position des Trainers anderweitig zu besetzen. Nach ein paar schlechten Wochen unüberlegt eine Entlassung zu fordern, entspricht aber nicht den Werten von Borussia Dortmund.
Andere Spieler könnten Umschwung bringen
Kritik an Bosz muss aber weiterhin erlaubt sein, sofern man dabei fair bleibt. Berechtigt sind zum Beispiel die Rufe nach Julian Weigl und Mahmoud Dahoud – vor allem gegen Mannschaften, die den BVB früh unter Druck setzen. Nuri Sahin und Gonzalo Castro sind hier nicht immer die ideale Wahl. Weigl, auch wenn er in den schlechten Spielen gegen Leipzig, Nikosia und Frankfurt auf dem Platz stand, und Dahoud wirken trotz ihrer jungen Jahre meist pressingresistenter als ihr jeweiliges älteres Äquivalent.
Obwohl die Statistiken keinen sonderlich großen Unterschied zwischen den oben genannten Spielern zu machen scheinen, fehlt manchmal einfach ein intelligenter Pass, der Räume aufreißt und Platz zum kombinieren schafft. Sowohl Weigl als auch Dahoud haben das Auge für die Schnittstellen zwischen den Reihen und einzelnen Gegenspielern. Es wäre wünschenswert, sie einige Male zusammen auf dem Platz zu haben, um zu sehen, ob sie der Mannschaft weiterhelfen können.
Ein weiterer Spieler, der durchaus fehlt, ist Sebastian Rode. Auch, wenn man mich dafür als verrückt bezeichnen wird. Allerdings denke ich, dass er in die Spielidee von Bosz passen könnte. Er ist, sofern bei 100 Prozent, jemand, der 90 Minuten über den Platz rennen und Lücken schließen kann, die oftmals entstehen.
BVB fehlt ein zweiter „Unterschiedmacher“
Als letztes Thema möchte ich noch etwas ansprechen, was mir persönlich ständig auf der Seele brennt: Das Fehlen von Reus und Dembele. So ungern man es auch zugeben mag, aber gerade Dembele fehlt sehr. Der beste Offensivspieler der vergangenen Saison, die ohne ihn nicht einmal annährend so erfolgreich gewesen wäre, ist weg. Auch Reus, der in seinen wenigen Spielen in der abgelaufenen Spielzeit nicht selten den Unterschied machen konnte, fehlt ziemlich. Aubameyang kann nicht jedes Spiel alleine entscheiden. Das wird gerade in dieser Phase der Saison deutlich. Ohne seine Treffsicherheit ist der BVB aufgeschmissen. Allerdings fehlt hier nicht unbedingt ein zweiter Stürmer, der oft trifft – sondern eher ein Typ wie Reus oder Dembele, der durch seine offensichtliche Weltklasse und Spielverständnis Gegenspieler zur Verzweiflung treibt.
Jetzt ähnliche Resultate von Bosz zu fordern wie von Tuchel, wäre vermessen. Der zweite Platz in der Liga (der im Übrigen im vergangenen Jahr verpasst wurde) wäre ein großer Erfolg. Von einem Weiterkommen in der Champions League brauchen wir dagegen gar nicht erst sprechen. Auch schon bevor die ersten drei Spiele nicht gewonnen werden konnten, war mir klar, dass es in diesem Wettbewerb wohl ein Wunder brauchen wird.