Es ist eine Geschichte, wie sie nur der Fußball schreiben kann. Vor einem Jahr holte Borussia Dortmund das junge St. Pauli-Juwel Tom Rothe (17) für seine zweite Mannschaft. Gestern kam er vor fast 80.000 Fans im Dortmunder Signal Iduna Park überraschend zu seinem Profidebüt. Nach 24 Spielminuten nickte der 17-Jährige eine Ecke von Julian Brandt zur 1:0-Führung ins lange Eck. Knapp 65 Minuten später gab es Standing Ovations bei seiner Auswechslung. Ein spektakuläreres Bundesliga-Debüt hatte sich der Linksverteidiger nicht erträumen können. „Nicht so schlecht“, kommentierte der Youngster sein Tor bei „Sky“. Treffend für seine Leistung an jenem 30. Spieltag.
„Also ich finde, er hat das nicht schlecht gemacht“, witzelte BVB-Trainer Marco Rose über die Leistung des Debütanten. Zuvor gab es die Nachfrage, ob die Frage des Journalisten über Rothes Auftritt rhetorisch sei. „Der Junge hat das hervorragend gemacht“, ergänzte der 45-Jährige anschließend. „Wir haben Tom natürlich schon länger auf dem Zettel. Wir kennen seine Qualitäten. Aufgrund unserer personellen Situation war es einfach an der Zeit den Jungen mal rein zu schmeißen. Und ich denke, er hat gezeigt, dass wir es zu Recht gemacht haben“, so Rose.
Der U 19-Trainer von Borussia Dortmund, Mike Tullberg, kennt die Anlagen des jungen Defensivspielers sehr gut. „Tom ist ein physisches Prachtexemplar. Er ist ein Profi durch und durch. Er ist sehr fleißig in allen Bereichen und sehr bodenständig“, schwärmte er gegenüber den „Ruhr Nachrichten“. Der 17-jährige U19-Nationalspieler startete in dieser Saison bei der U 19 des BVB durch und brachte sich auch in das Offensivspiel seiner Mannschaft ein. Wettbewerbsübergreifend gelangen ihm in der aktuellen Spielzeit ganze elf Vorlagen.
Trotz des prall gefüllten Signal Iduna Parks ließ sich der junge Verteidiger bei seinem Bundesliga-Debüt nicht aus der Ruhe bringen. „Er war von Anfang an im Spiel, hat sich nicht aus der Ruhe bringen lassen. Und mit dem Tor hat er natürlich wahrscheinlich noch mehr Sicherheit bekommen. So wie ich Tom kenne. Ein sehr abgeklärtes Spiel gemacht für sein Alter, für sein erstes Bundesligaspiel. Das ist der Ansporn für mehr, hoffe ich“, sagte Marco Rose weiter über Rothes Debüt.
Als der Name des jungen Tom Rothe während der Präsentation der Mannschaftsaufstellung im Stadion auf der Leinwand erschien, waren die Fans zögerlich. Die Rufe der Nachnamen gerieten ins Stocken, nachdem Stadionsprecher Nobby Dickel die Nummer 36 namens Tom aufgerufen hatte. Ein zaghaftes „Rothe“ kam von den Rängen. Noch nie stand der 1,92 Meter große Youngster im Spieltagskader der Profis. Nun ist er der achtjüngste Debütant in der Dortmunder Liga-Historie – und der viertjüngste Torschütze der Bundesliga-Geschichte. Dennoch verspürte er nur vor dem Anpfiff Nervosität. „Natürlich war ich etwas aufgeregt vor dem Spiel, das ist ja klar“, gab der 17-Jährige nach dem Spiel bei „Sky“ zu.
Über 79.200 Fans hatten sich im Dortmunder Stadion versammelt. „Wenn man hier selbst aufläuft, ist das schon krass – Gänsehaut, unbeschreiblich“, sagte der Debütant über die Stimmung bei seiner ersten Partie in der höchsten deutschen Spielklasse. Als der Ball jedoch rollte, war seine Anspannung gelöst – nach 24 Spielminuten kannte dann der ganze Signal Iduna Park den jungen Tom Alexander Rothe. Nach einer Ecke von Julian Brandt konnte er Wolfsburgs Sebastiaan Bornauw enteilen und köpfte das Spielgerät ins Netz.
„Natürlich ein super Ball von Jule. In der U19 trainieren wir Standards eigentlich wöchentlich“, lobte der Linksverteidiger den Vorlagengeber. Nach seinem Tor sprang er wuchtig in die Luft und streckte die Faust in den Dortmunder Himmel. Von den Teamkollegen gab es einen Klaps auf den Kopf. Spätestens dann kannten die Fans der Borussia seinen Namen – auf Dickels „Tom“ folgte nun ein ohrenbetäubendes „ROTHE!“. Mit dem Treffer veredelte der Youngster einen überragenden Nachmittag. Bei der Auswechslung in Minute 88 gab es Standing Ovations. „Es ist unbeschreiblich. Ich freue mich darüber, dass ich mein erstes Spiel machen durfte und getroffen habe. Besser kann es nicht laufen“, fasste das Talent sein Debüt zusammen.
So mancher BVB-Fan dürfte beim Blick auf die Startformation verblüfft gewesen sein. Stammlinksverteidiger Guerreiro und Thorgan Hazard fehlten verletzt. Ersatz Nico Schulz war nicht vollständig fit und außer Form. Somit rutschte U 19-Spieler Rothe unerwartet in die Startelf. Im Abschlusstraining erfuhr der 17 Jahre alte Nachwuchsspieler von seinem Glück. „Es war ein bisschen Glück im Pech, weil Thorgan sich verletzt hat. Das muss man erst einmal verarbeiten, das kam sehr spontan. Natürlich war ich aufgeregt vor dem Spiel.“
Die Aufgabe hat er bravourös gemeistert. Mit ihm die gesamte Dortmunder Mannschaft: Gegen den VfL Wolfsburg führte der BVB zur Halbzeit deutlich mit 5:0. Nach einem weiteren Tor von Stürmerstar Erling Haaland sorgte ein Fehler von Wolfsburgs Leihprofi Marin Pongracic für den einzigen Dortmunder Gegentreffer an diesem Nachmittag. 6:1 war der Endstand nach einer Galavorstellung des Tabellenzweiten. „Tolles Wetter, tolle Stimmung, das hat Spaß gemacht und wer großartig. Ein tolles Gefühl, dass die Leute so glücklich nach Hause gehen“, freute sich Coach Rose. „Über einzelne Spieler zu reden, macht heute gar keinen Sinn. Außer über Tom Rothe, und der will das nicht.“
Stattdessen freut sich der Youngster auf Ostern. „Ich bin glücklich mit dem Spiel. Trotzdem freue ich mich auf das Eiersammeln mit der Familie.“ Erst müsse er das Geschehen vom Samstag jedoch verarbeiten. Denn der Fußball schrieb erneut eine kuriose, tolle und einzigartige Geschichte. Und ein 17-Jähriger war mittendrin.
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