Leihgeschäfte – eigentlich ein attraktiver Weg für klamme Klubs von jungen, hoffnungsvollen Spielern zu profitieren und ihnen im Gegenzug etwas Spielpraxis zu gewährleisten. Paradebeispiel: Eintracht Frankfurt unter Ex-Coach Niko Kovac. Der Kroate stellte zusammen mit Sportdirektor Fredi Bobic binnen zweier Jahre eine konkurrenzfähige Mannschaft auf den Platz. Viele der damaligen Säulen des Frankfurter Spiels konnten nur durch Leihgeschäfte von anderen mittelgroßen europäischen Klubs oder günstige Einkäufe durch gutes Scouting verpflichtet werden. Zu den Shootingstars damals gehörten unter anderem Carlos Salcedo, Luka Jovic, Marius Wolf, Omar Mascarell, Jesus Vallejo oder der altbekannte Kevin-Prince Boateng. Zusammen kosteten sie die Frankfurter zusammen (!) ca. 2,1 Millionen Euro. Mit diesem und dem vorhandenen Material wurde die Eintracht urplötzlich zum Europa-Cup-Team, Bayern-Schreck und schließlich DFB-Pokal-Sieger 2017/18.
Als Lohn der harten Arbeit folgte in der Premieren-Saison der elfte Tabellenplatz in der Liga. Zudem stand am Ende die DFB-Pokal-Finalteilnahme in Berlin gegen Borussia Dortmund. Ein Jahr später dann der achte Platz sowie der DFB-Pokal-Sieg und die Qualifikation für die Europa League.
Natürlich fällt das alles dann auf die Verantwortlichen, das Scouting und besonders das Trainerteam zurück, doch wenn man sich vor Augen führt, auf welche Art und Weise das „neue“ Frankfurt letztlich Fußball spielte, bleibt einem nichts anderes übrig, als den Hut vor dieser Arbeit zu ziehen. All das vorangegangene soll verdeutlichen, was mit geringem finanziellen Aufwand möglich ist und wie erfolgreich dieses Konzept der Leihgeschäfte sein kann, ein positives Exempel.
Doch, wie sollte es anders sein, denkt und arbeitet nicht jeder so, wie damals die Eintracht unter Kovac und Bobic. Es folgt nicht nur ein Negativbeispiel, sondern gleich mehrere. Um konkret zu werden, konzentriere man sich nun einmal auf die finanzstarken Top-Klubs wie Manchester City, Chelsea und Juventus Turin.
Alle drei Vereine scheinen auf den ersten Blick einen durchschnittlich großen Kader zu haben, vor allem in Anbetracht der hohen Belastung im Liga-Alltag, international und durch Pokal-Wettbewerbe. Keines der genannten Teams meldet beim Portal „transfermarkt.de“ mehr als 28 Spieler.
Doch schaut man genauer hin, fällt auf, dass viel Spielermaterial verliehen ist oder in U-Mannschaft abtaucht. Konkret sind es beim FC Chelsea aktuell 19 verliehene Spieler, exklusive der 21 Spieler, die aus der U23 verliehen wurden. Beim italienischen Rekordmeister Juventus Turin und bei Manchester City sind es derzeit 27 Spieler. Den „Bestwert“ in dieser Kategorie hält allerdings ein andere ambitionierter, mittelgroßer Klub aus Italien. Atalanta Bergamo verleiht aktuell 55 Kicker.
Dieses Vorgehen ist mittlerweile zum Geschäftsmodell der großen, reichen Klubs aus Europas Top-Ligen geworden. Dazu gehört, sich zum einen sofort die Rechte an den talentiertesten Spieler, die der Markt gerade so hergibt, zu sichern. Zum anderen wiegen Kooperationen schwer in diesem Modell der Zukunftsplanung. Erhoffen tun sich City, Chelsea, Juve und Bergamo von diesem „Zwischenparken“ und kooperieren später einmal die nächsten großen Kicker oder zumindest eine halbwegs gute Ablöse, sollte der Sprung zum Top-Spieler doch noch in letzter Minute scheitern. Diese Leihgeschäfte nehmen immer mehr zu.
Eine der engsten Kooperationen im internationalen Fußball findet seit mehreren Jahren zwischen dem niederländischen Erstligisten Vitesse Arnheim und Chelsea London statt. Die „Blues“ nutzen die Holländer als sogenanntes Farm-Team, um ihren vielversprechenden Talenten regelmäßige Spielzeit gewährleisten zu können und Arnheim freut sich jede Saison aufs Neue auf den einen oder anderen jungen und hoch veranlagten Spieler, der das Potenzial hat, die Liga aufzumischen.
Auch die „Citizens“ haben dies für sich entdeckt und überreizen dieses Vorgehen beinahe schon. Denn da ein oder zwei Partner ja nicht reichen, umfasst die City-Truppe mittlerweile sechs Klubs aus der ganzen Welt. Ohne dieses umparken würden sich stand jetzt rund 65 junge Talente auf dem freien Markt befinden. Diese könnten für kleinere Vereine den Weg an die nationale Spitze ebnen. Mit anderen Worten: City, Chelsea und Co. halten anderen Teams die Möglichkeit vor, sich durch diese jungen Spieler weiter zu entwickeln und den klassischen Weg des Ausbildungsvereins gehen zu können.
Ein ähnliches Modell können wir seit einiger Zeit auch bei unseren Nachbarn aus Belgien beobachten. Der KAS Eupen, eine durchschnittliche Mannschaft aus Belgiens höchster Spielklasse und durchaus mit Tradition wurde Mitte 2012 von der katarischen Aspire Zone Foundation aufgekauft, was zu einem radikalen personellen Umbruch führte. Während bis dato weitestgehend Spieler aus der Heimat oder Deutschland für Eupen aufliefen, sind es nun vor allem Fußballer aus Nigeria und dem Senegal. Diese Spieler bildet die Aspire Academy aus Doha in Afrika selbst aus und gibt sie dann weiter an die Belgier. Aus dieser Ausbildungsstrukur entstammt beispielsweise auch der 19-jährige, senegalesische WM-Fahrer Moussa Wagué, der nach dem Turnier zum FC Barcelona wechselte.
Hierzulande wäre als nachahmender Klub etwa RB Leipzig zu nennen. Dieser betreibt in Zusammenarbeit mit den Red-Bull-Klubs aus Salzburg und New York ähnliches in Sachen Talentförderung. Naby Keita, qualifizierte sich sozusagen durch gute Leistungen im Dress der Österreicher für den nächsten Schritt in Leipzig. Im Anschluss wechselte er für 60 Millionen Euro zum FC Liverpool. Es gibt viele dieser Negativbeispiele. Sie schaden eindeutig dem Fußball.
Dass dieses alljährliche Umparken, verbunden mit Ortswechsel und einem instabilen sozialen Umfeld für solch junge Menschen nicht gut sein kann, hat seit einiger Zeit anscheinend nun auch die UEFA realisiert. Schon letzten Herbst kündigte man an, sich Gedanken machen zu wollen und nun steht eine Reform wohlmöglich kurz bevor. Wie UEFA-Präsident Aleksander Ceferin am Rande der Weltfußballer-Gala bekannt gab, sei man zusammen mit Vertretern der Verbände, der Klubs und der Spieler über Änderungen der Vorschriften bei Transfers, insbesondere auch bei Leihgeschäften, übereingekommen. Dinghaft soll es sich dabei um eine Deckelung von Leihgeschäften pro Klub handeln. Die „SportBild“ berichtet von maximal acht Spielern.
Ganz klar, wäre das ein Erfolg. Nicht nur für die kleineren Klubs, die dadurch eine Chance auf diese bisher von den Top-Klubs reservieren Talente bekämen, sondern auch für die Jungen selbst. Vielleicht muss man sich dann nicht mehr Sätze wie: „Es macht keinen Sinn, ständig verliehen zu werden. Das ist für keinen Spieler gut und ich sehe es nicht mehr positiv. Mit 22 Jahren jedes Jahr woanders zu sein, ist nicht gut für mich“. So äußert sich Lucas Piazon, der einst als „brasilianisches Wunderkind“ zu Chelsea kam und Opfer des Spekulationsgeschäfts wurde. Denn auch sein Jahr 2015/16 bei der Eintracht war für ihn nicht das des Durchbruchs. Auf den wartet der mittlerweile 24-Jährige immer noch – aktuell in der zweiten Mannschaft von Chelsea. Leihgeschäfte müssen eingeschränkt werden.
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