Bevor die Corona-Krise den Weltfußball zum Erliegen brachte, war Serdar Dursun in bestechender Form. Der Stürmer von Zweitligist Darmstadt 98 machte in der Rückrunde mit den gegnerischen Abwehrreihen was er wollte. Acht Torbeteiligungen (sechs Tore und zwei Vorlagen) in acht Rückrundenspielen sprechen für sich. Doch der 28-Jährige macht keinen Hehl daraus, dass er sich gerne auf höherem Niveau beweisen will.
„Zurzeit gibt es viel wichtigere Dinge als den Fußball“, stellt Dursun im „kicker“-Interview direkt klar. Sportlich hatte er sich mit der Rolle als einzige Spitze bestens arrangiert. „Wir sind keine Mannschaft, die dominanten, offensiven Ballbesitzfußball in dem Sinne spielt, aber wir haben seit Winter mehr Zug zum Tor entwickelt.“ Beim Tabellensechsten muss Dursun als einziger Angreifer daher „immer total fokussiert sein, denn die Chancen, die ich bekomme, will ich auch nutzen.“ Das war ihm zuletzt eindrucksvoll gelungen. Nachdem „ich in den letzten Jahren eher an meiner Schnelligkeit gefeilt habe“, sieht der frühere Fürther bei seinen Fähigkeiten „die Bälle festzumachen“ und zu verteilen noch „Verbesserungspotenzial“.
Den bevorstehenden Weggang von Trainer Dimitrios Grammozis bedaure derweil das gesamte Team. „Er hat uns den Ablauf geschildert, dass er gerne langfristig verlängert hätte, der Klub ihm aber nur ein weiteres Jahr angeboten hat. Beide Standpunkte sind legitim, daher will ich mir auch kein Urteil erlauben“, so Dursun. Der 41-jährige Grieche habe „besonderen Wert auf die Kompaktheit gelegt, wir sind ja in manchen Spielen so ein bisschen eine Kopie von Atletico Madrid. Enge Abstände, Umschalten nach vorne – so machst du in der 2. Liga deine Punkte.“
Das habe er Grammozis auch selbst so gesagt. „Ich scoute selbst viel, schaue mir die Taktik anderer Teams sehr genau an seit ein paar Jahren.“ Dursun sei „fußballsüchtig“ und will nach der Karriere „unbedingt in der Branche bleiben, entweder als Trainer oder als Scout.“ Von dieser Liebe zum Detail profitiere er bereits als Aktiver enorm. „Ich kann ihnen ziemlich genau sagen, welcher Trainer in der 2. Liga wie spielen lässt und warum.“ Auch seine eigenen Szenen schaue er sich nach den Partien immer an. „So habe ich mein Spiel schon enorm verbessert. Meine Quoten zeigen ja, dass ich mich in den letzten Jahren stets gesteigert habe.“
Da liegt es nahe, dass regelmäßig über den möglichen Sprung ins Oberhaus spekuliert wird. „Jeder Spieler hat Ziele, auch wenn ich glücklich bin in Darmstadt. Die Bundesliga ist natürlich mein Traum und ich hoffe, dass der Traum irgendwann real wird.“ An Selbsvertrauen mangelt es Dursun, der bislang weder in Deutschland noch in der Türkei Erstligaluft schnuppern durfte, jedenfalls nicht. „Ich bin auch fest davon überzeugt, in der 1. Liga zu bestehen, zumal ich im perfekten Stürmeralter bin.“
Ein weiterer „Kindheitstraum“ ist die türkische Nationalmannschaft. „Wenn man in die Statistik schaut, bin ich weltweit der türkische Stürmer mit den meisten Toren in den 1. und 2. Ligen. Okay, ich spiele in der 2. Liga, das darf man natürlich nicht außer Acht lassen“, gesteht Dursun. In bisher insgesamt 275 Karriere-Einsätzen bringt er es auf 75 Treffer. „Burak Yilmaz wird 35 Jahre alt, dann ist da noch Enes Ünal, der in Valladolid spielt. Cenk Tosun hat sich ja leider verletzt.“ Und da die Auswahl an türkischen Stoßstürmern somit grundsätzlich begrenzt sei, rechnet er sich duchaus Chancen aus. „Ich lese die türkischen Medien. Da steht, dass ich es verdient habe“, erzählt der in Hamburg geborene Sohn türkischer Einwanderer, der sich auch „als Deutscher“ fühlt. Die Migrationsdebatte in Deutschland verfolge er und bezieht Stellung: „Es ist eine Katastrophe, wenn Menschen im Jahr 2020 nach ihrer Herkunft und Religion beurteilt werden. Ich bin mir aber sicher, dass es heutzutage viele so sehen wie ich und der Mensch im Vordergrund steht, nicht das Land, aus dem man kommt. So würde ich es mir auf jeden Fall wünschen.“
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