In Bremen herrscht zum Saisonendspurt Chaos. Nach sieben Ligapleiten in Folge befindet man sich als Vierzehnter im freien Fall. Punktgleich mit Bielefeld trennt Werder nur noch ein Punkt vom Relegationsplatz, den derzeit Köln belegt. Der Vorsprung auf den Vorletzten Hertha beträgt vier Zähler, allerdings hat die Alte Dame noch drei Nachholspiele. Trainer Florian Kohfeldt stand nach der jüngsten Niederlage bei Union vor dem Rauswurf, bleibt nun jedoch vorerst im Amt. Gerüchten zufolge soll Vereinslegende Thomas Schaaf aber weiterhin ein Kandidat für eine mögliche Übergangslösung sein. Werders Technischer Direktor äußerte sich im „SportBild“-Interview zum Absturz von Werder und die strategische Ausrichtung des Klubs.
An Erfahrung mangelt es Schaaf bekanntlich nicht. Von 1999 bis 2013 coachte er in 644 Spielen die Grün-Weißen, 2004 gewann er das Double, 1999 und 2009 holte er ebenfalls den Pokal. Diese Zeiten sind an der Weser längst vorbei, mittlerweile ist man nicht mal mehr Bundesliga-Mittelmaß. Dennoch will Schaaf nicht alles schlechtreden. „Absturz ist ein sehr hartes Wort. Es gibt sicherlich verschiedene Gründe. Die Entwicklung im Fußball ist vorangeschritten, gerade was den Spielermarkt betrifft.“
Unter dem langjährigen Manager Klaus Allofs galt Werder zu Schaafs Zeiten als Musterbeispiel dafür, wie man aus vergleichsweise wenig wirtschaftlichen Mitteln das Optimum rausholt. Nun sei es „für Vereine wie Werder schwieriger, Spieler zu bekommen.“ Viele einst verpflichtete und damals noch unbekannte Spieler wären der Konkurrenz „heute viel eher aufgefallen und finanziell vielleicht gar nicht machbar.“
Die früheren Spielmacher Johan Micoud und Diego etwa gelten als Paradebeispiele dieser einst erfolgreichen Transferpolitik. „Wir konnten die Spieler von unserer Idee und von unserer Fantasie überzeugen, dass sie sich in Bremen entwickeln können. Das ist heute viel schwerer geworden.“ Die Gründe dafür liegen Schaaf zufolge in der zunehmenden Komplexität des Transfermarkts.
„Heute spielen viele Faktoren bei einem Transfer eine Rolle. Das Scouting ist engmaschiger und professioneller geworden. Man weiß durch die Digitalisierung sehr früh sehr viel über die Spieler.“ Im zunehmend härteren Wettbewerb könnten die Vereine ohne große Investitionen schlichtweg nicht mithalten und somit – anders als früher – keinen Erfolg haben.
Bei Werder habe man 2011 nach dem Verpassen des internationalen Geschäfts einfach nicht mehr gegenlenken können. „Der sportliche Erfolg blieb aus, aber die Kosten für den Kader waren weiterhin hoch. Wir mussten im wirtschaftlichen Bereich runterfahren, Spieler wurden verkauft. Aber die Erwartungshaltung wurde nicht runtergeschraubt. Wir hatten die Losung, international dabei zu sein“, beschrieb Schaaf eine Art von Missverhältnis, welches nun Schalke bis in die Zweitklassigkeit trieb.
Corona verschärfe die wirtschaftliche Problematik zusätzlich. „Aber generell muss jeder Verein an sich genau diskutieren, in welcher Form sich Personen oder Unternehmen am Verein beteiligen. Wie groß ist die Einflussnahme? Grundsätzlich glaube ich, dass strategische Investoren gut sind, die eine Zeit lang gemeinsam einen Weg mit einem Verein gehen, von dem beide profitieren – ohne konkret eine genaue Struktur oder ein System zu nennen.“
Ob man Schaaf bald tatsächlich wieder auf der Trainerbank sieht, ist offen. Seine letzten Stationen bei Eintracht Frankfurt und Hannover 96 verliefen unbefriedigend. Angesichts der gegenwärtigen Herkulesaufgabe dürfte er bei seinem Herzensverein zusätzlich Angst vor dem Makel eines Abstieg haben. „Ich bin 1972 hier aufgelaufen. Bremen hat mir viel gegeben, ich dem Verein. Ich komme auf über 1000 Pflichtspiele als Spieler und Trainer“, sagte Schaaf, dessen Einspringen als Feuerwehrmann schon aufgrund seiner Verbundenheit zu Werder nicht gänzlich auszuschließen ist.
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