Kurz vor Ende der vergangenen Saison konnte sich die TSG 1899 Hoffenheim knapp über den Abstiegsrängen halten. Von dem harten Kampf gegen die Zweitklassigkeit ist in der laufenden Spielzeit jedoch nichts mehr zu spüren – die Kraichgauer haben sich in der Spitzengruppe festgesetzt. Vor allem auswärts kann die TSG überzeugen. Unter Trainer Pellegrino Matarazzo agieren die Hoffenheimer derzeit als eine Einheit und werden wohl um die europäischen Plätze mitspielen.
Doch zunächst ein Blick in die Vergangenheit: Es ist der 20. Mai 2023. Am 33. Spieltag der Saison 2022/23 empfängt die TSG 1899 Hoffenheim Champions-League-Anwärter Union Berlin. Die Pyrotechnik der Sinsheimer Anhänger vor dem Anpfiff – weshalb die Partie verspätet begann – war mindestens so heiß wie die damalige Situation der Kraichgauer. Nach einer monatelangen Berg-und-Tal-Fahrt konnte ein „Endspiel“ im Abstiegskampf aus eigener Kraft vermieden werden.
Nach einem torreichen Spiel führte die TSG zu Beginn der Nachspielzeit knapp mit 3:2. In der neunten Minute der Nachspielzeit kam der eingewechselte Munas Dabbur (spielt mittlerweile in den Vereinigten Arabischen Emiraten) im Halbraum an den Ball und lief frei auf Union-Torwart Frederik Rönnow zu. Der Stürmer verzögerte seinen Sololauf im Strafraum kurz, ehe er Union-Verteidiger Josip Juranovic verlud und abgezockt ins untere rechte Toreck abschloss.
Wenige Augenblicke später war das Spiel vorbei. Die siegreichen Hoffenheimer wirkten ebenso glücklich wie erschöpft. Mit 35 Punkten und einer unangreifbaren Tordifferenz von +11 war der Klassenerhalt geschafft.
Hoffenheims Direktor Profifußball, Alexander Rosen, sprach von einer „Explosion der Erleichterung“. Er gab aber auch zu, dass der Saisonverlauf „mit dem, für das wir stehen, nicht unser Anspruch ist“. „Das war die härteste Saison, die ich je gespielt habe – vor allem mental“, sagte Andrej Kramarić. Nach einer schwierigen Saison mit Abstiegskampf, Trainerwechsel und einem ernüchternden zwölften Platz kündigte Rosen einen „etwas größeren Umbruch“ an.
Die Abgänge um den flexiblen Mittelfeldmotor Christoph Baumgartner (wechselte zu RB Leipzig), Deutschlands U21-Kapitän Angelo Stiller (jetzt VfB Stuttgart) und Innenverteidiger Stefan Posch (jetzt Bologna/Italien) spülten über 30 Millionen Euro in die Sinsheimer Kassen.
Mit Florian Grillitsch kehrte ein prominenter Name ablösefrei von Ajax Amsterdam zurück. Auch konnten die Hoffenheimer mit Mergim Berisha (vom FC Augsburg) und Anton Stach (von Mainz 05) zwei gestandene und begehrte Bundesliga-Spieler verpflichten. Mit Marius Bülter (kam von Schalke 04), Julian Justvan (kam von Paderborn) und Wout Weghorst (Leihe von Burnley) wurden weitere vielversprechende Transfers für die Offensive getätigt.
Die Offensive ist ein Hauptgrund für Hoffenheims starken Saisonstart. Laut „Fotmob“ erzielte die TSG 2,7 Tore mehr als erwartbar waren (16 Tore zu 13,3 xG). Auch wurden Großchancen von den Offensivspielern größtenteils verwertet, womit der Klub im Liga-Ranking für die meisten vergebenen Großchancen nur Rang 14 belegt. Ein Hauptbestandteil der starken Offensive hört auf den Namen Maximilian Beier. Er avancierte im gut bestückten TSG-Kader in den ersten sieben Spielen zum großen Gewinner.
In den ersten beiden Spielen der laufenden Saison kam Beier für die TSG Hoffenheim lediglich als Joker zum Einsatz. Seit seinem ersten Bundesliga-Tor und einem herausgeholten Strafstoß am 2. Spieltag in Heidenheim, ist der 20-Jährige aus der Startelf der Sinsheimer aber nicht mehr wegzudenken und traf fünfmal. Dabei spielte er in den vergangenen zwei Jahren in der 2. Bundesliga: In den letzten zwei Spielzeiten sammelte Beier auf Leihbasis Spielpraxis bei Hannover 96. Wettbewerbsübergreifend bestritt der Youngster 66 Pflichtspiele für die Niedersachsen, in denen er 14 Tore und sechs Vorlagen erzielte.
„Das schafft er mit seiner Dynamik und mit seiner Technik“, erklärte Hoffenheim-Trainer Matarazzo nach dem Sieg gegen Union Berlin. „Manchmal ist es nicht einfach zu sagen, warum einer trifft oder nicht. Entweder man hat dieses Gen oder man hat es nicht. Aber Maxi hat dieses Gen, Tore zu machen. Das hat man die letzten Wochen gesehen.“
Angriff ist bekanntlich die beste Verteidigung – umso besser, dass die Defensive der TSG Hoffenheim laut „Fotmob“ im Schnitt 25 Torverhinderung pro Spiel verzeichnet. Gegnerische Angriffe wurden teils grob unterbunden, wofür bereits 21 Gelbe Karten gezeigt wurden. Dennoch trägt Matarazzos Spielplan in Kombination mit einem eingespielten und qualitativ hochwertigen Kader in dieser Saison Früchte.
Der US-Amerikaner lässt seine Mannschaft meist in einem 3-5-2-System auflaufen und scheint ihre Moral im Griff zu haben. Ein Indiz dafür ist ein neu aufgestellter Vereinsrekord. Die Sinsheimer konnten ihre ersten vier Auswärtsspiele in dieser Saison gewinnen und gingen auch nach Rückständen (etwa gegen Werder Bremen) als Sieger vom Platz. „Es ist ein Zeichen von Größe und Geschlossenheit unserer Mannschaft, auswärts in zum Teil hitziger Atmosphäre zu bestehen“, so Matarazzo.
Die Kraichgauer konnten gelassen in die Länderspielpause gehen und möchten ihren guten Saisonverlauf fortsetzen. „Mein Ziel ist, das Niveau der Mannschaft auf dem höchstmöglichen Niveau zu stabilisieren. Wir sind auf einem guten Weg“, sagte Matarazzo in einem Zwischenfazit. Der Trend der TSG 1899 Hoffenheim ist äußerst positiv – wer hätte das nach dem Saisonfinale im Sommer gedacht?
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