Saisonprognose VfB – Wie geht’s weiter nach dem Pokalaus?
Die Euphorie ist zurück im Schwabenland. Nach einer überragenden zweiten Saisonhälfte will man auch in der neuen Saison an die jüngsten Ergebnisse anknüpfen. Die Grundsteine dafür scheinen dank großer Investitionen und einer im Umfeld äußerst positiv aufgenommenen Kaderplanung gelegt. So ganz trauen viele VfB-Anhänger dem Braten aber noch nicht – ist der schwäbische Blick nach oben vermessen oder nur eine logische Konsequenz?
Transfers & Personal
Wie sich eine frühzeitig beruhigte Vorsaison auf die Kaderplanung eines Erstligisten auswirken kann, zeigt der VfB vor der Saison 18/19 eindrücklich. Bereits vier Spieltage vor Schluss stand der Klassenerhalt fest. Aufgrund der fulminanten Rückrunde unter Coach Tayfun Korkut hatte Michael Reschke in Jahr eins nach dem Aufstieg wohl sogar mehr Zeit als erhofft. Kurz nach Saisonende stellte sich dann heraus: Reschke wusste diese auch zu nutzen.
Auf einer Saisonabschlusspressekonferenz stellte der 55-Jährige zur Verwunderung vieler ganze fünf Neuzugänge vor. Im Laufe des Sommers sollten dann noch drei weitere folgen. Schon zum Start des Trainingslagers in Grassau am 27. Juli stand der Kader komplett. Der Fokus liegt dabei offensichtlich auf jungen Talenten mit Potential für ganz oben.
Und auch die schwäbische Kaderstruktur lässt dabei die ein oder anderen Schlüsse zu. Auf vielen Positionen erwartet ein verlässlicher Routinier den Konkurrenzkampf mit einem jungen aufstrebenen Talent. Links hinten in der Abwehr soll Borna Sosa (Dinamo Zagreb) Leistungsträger Emiliano Insua Druck machen, auf der rechten Gegenseite will Rekordneuzugang Pablo Maffeo (Manchester City) Andreas Beck auf die Bank versetzen. Im Sturm ist Vorbereitungsgewinner Nico Gonzalez (Argentinos Juniors) als flinker Gegenpart zu Torjäger Mario Gomez eingeplant. Der ablösefrei gekommene Marc-Oliver Kempf (SC Freiburg) kann im Abwehrzentrum perspektivisch dabei helfen einen Abgang von Weltmeister Benjamin Pavard aufzufangen.
Zusätzlich zur Zufuhr von jungen, frischen Beinen konnten die Stuttgarter auch drei erfahrene Stützen dazugewinnen. Der in Cannstatt nach seinem Abgang im Anschluss an die Abstiegssaison 15/16 oftmals kritisierte Daniel Didavi kehrt nach zwei Jahren im Wolfsburger Exil in die Heimat zurück. Im Gegenzug schickte der VfB in einem der spektakuläreren Deals des Sommers Daniel Ginczek in die Autostadt, den Weg in Richtung Neckar fand im Rahmen dessen wohl außerdem eine zweistellige Millionensumme.
Die in der vergangenen Saison häufig fehlende spielerische Komponente in der Mittelfeldzentrale neben Abräumer Santiago Ascacibar soll Gonzalo Castro (Borussia Dortmund) füllen. Für die größte Überraschung des Sommers sorgte aber wohl die Rückkehr von Abwehrchef Holger Badstuber. Lange hatte der ehemalige Nationalspieler öffentlich mit einem Wechsel zu einem Champions League Klub geliebäugelt. Am Ende gewann allerdings der Wohlfühl-Faktor im heimischen Schwabenland und ein nach Bild-Informationen verdreifachtes Jahresgehalt.
Letztendlich stehen für den VfB Stuttgart im Sommer Ausgaben in Höhe von ungefähr 35 Millionen Euro zu Buche. Summen mit denen man in Zukunft an der Mercedes-Straße zwangsläufig nach oben schielen muss. Durch einen möglichen Abgang von Pavard und die Veräußerung weiterer 12,5% der Anteile im Rahmen der letztes Jahr beschlossenen Ausgliederung, wird auch in naher Zukunft ein überaus gesunder finanzieller Grundstein gelegt sein.
Stärken und Schwächen
Lange schon sind die Schwaben nicht mehr mit einem dem Anschein nach derart tiefen Kader in die Saison gegangen. In sämtlichen Mannschaftsteilen ist der Qualitätsabfall von A-Lösung zur jeweiligen Ersatzoption nur ein geringer. In der Saisonvorbereitung zeigte sich: Der zweite Anzug des VfB kann mit der vermeintlichen Stammelf mithalten und diese in manchen Aspekten sogar verbessern. Die Voraussetzungen für einen harten und förderlichen Konkurrenzkampf sind so gut wie nie.
In der Kadertiefe liegt gleichzeitig aber auch eine der Tücken. Schon jetzt steht nämlich fest: Es wird Härtefälle geben. Auch ein großer Name wird sich zwangsläufig Hin- und Wieder nur auf der Tribüne wiederfinden. Ob das mit den Ansprüchen sämtlicher Kaderspieler vereinbar ist bleibt fraglich. Ein Beispiel dafür könnte Neuzugang Marc-Oliver Kempf werden. Der U-21 Europameister wechselte mit dem Anspruch auf einen Stammplatz in die Schwabenmetropole, zum Saisonbeginn könnte es dennoch nur für Rang vier oder fünf in der Innenverteidiger Rangfolge reichen.
Auf einer Erfolgswelle wie in der vergangenen Rückrunde stellen sich einzelne Spieler mal gerne hinten an. Sobald dann aber auch die sportlichen Erfolgserlebnisse ausbleiben, könnte die Teamchemie auf den Prüfstand gestellt werden. Das Moderieren des Kaders wird eine der größten Herausforderungen für Tayfun Korkut.
Prognose
Der VfB hat sich auf zahlreichen Positionen nominell verbessert. Die Kadertiefe im Vergleich zum Vorjahr sogar immens gesteigert. Gleichzeitig musste man mit Daniel Ginczek nur den Abgang eines einzigen Leistungsträgers verkraften. Wenn man dann die Vorjahresplatzierung sieben mit in die Rechnung einbezieht sollte der Prognosepfeil eigentlich steil nach oben zeigen. Allerdings müssen die Schwaben und allen voran Coach Tayfun Korkut erst noch beweisen, dass die in der Rückrunde so erfolgreich praktizierte Taktitk auch dauerhaft ertragreich ist.
Ohne Frage muss der Fokus dabei auf einer gesteigerten Variabilität in der Spielweise legen. Letztes Jahr war die Divise häufig: „Frühes Tor machen und dann das 1:0 über die Zeit mauern.“ Das wird allein aufgrund des übermäßigen Spielglücks und der Ausrechenbarkeit des Systems nicht mehr möglich sein. Gelingt die Umstellung bietet das vorhandene Spielermaterial erneut die Chance auf einen Angriff auf die internationalen Plätze. Die Erwartungen hält man vom Verein aus aber bewusst gering. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt warum.
So könnte der VfB spielen:
Ron-Robert Zieler – Emiliano Insua, Benjamin Pavard, Holger Badstuber, Pablo Maffeo – Santiago Ascacibar, Gonzalo Castro – Erik Thommy, Christian Gentner – Daniel Didavi, Mario Gomez
Fakten:
- Trainer: Tayfun Korkut
- Taktische Aufstellung: Noch offen. Tendenz liegt aber derzeit auf einem 4-2-2-2.
- Transferausgaben: 35 Millionen Euro
- Transfereinnahmen: 17 Millionen Euro
- Voraussichtlicher Tabellenplatz: Mittelfeld (Platz 8-13)