„Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen“, sagte einst der griechische Universalgelehrte Aristoteles. Eine wertvolle Erkenntnis eines der einflussreichsten Philosophen der Geschichte, die sich über zwei Jahrtausende später in Niedersachsen zunutze gemacht wird. Der VfL Wolfsburg hat einen starken Saisonstart hingelegt und findet immer besser zusammen. Vor allem dank einer essenziellen Lebensversicherung aus Skandinavien.
Niko Kovač, der die Länderspielpause für einen Kurzurlaub genutzt hat, kann nach sieben Spieltagen in der Bundesliga von sich behaupten, aus einer wankelmütigen Truppe eine wuchtige Mannschaft geformt zu haben. Der Ex-Trainer des FC Bayern setzt auf eine defensive Spielweise mit Kompaktheit, Zweikampfstärke und schnellen, vertikalen Pässen in die Spitze.
Laut „Fotmob“ schlugen die „Wölfe“ in dieser Saison die drittgenauesten langen Bälle der Liga pro Spiel (29,7). Vor ihnen liegen nur Borussia Dortmund und der 1. FC Heidenheim. So konnte der VfL Wolfsburg am vergangenen Samstag auch Union Berlin schlagen. Mit genau den Waffen, die den langjährigen Zweitliga-Klub aus Köpenick in nur fünf Jahren in die Champions League geführt haben.
„Vielleicht war unser Spiel heute nicht so schön anzuschauen. Aber niemand wird etwas dagegen sagen“, resümierte der dänische Neuzugang Joakim Maehle nach dem Erfolg über Union. Er ist einer von vielen intelligenten Einkäufen der „Wölfe“ im Sommer-Transferfenster. Mit Felix Nmecha (zu Borussia Dortmund) und Micky van de Ven (zu Tottenham) nahm der VfL Wolfsburg durch zwei Leistungsträger 70 Millionen Euro ein. Und reinvestierte diese Summe für acht neue Akteure.
Der kroatische Spielmacher Lovro Majer wechselte für 25 Millionen Euro von Stade Rennes nach Niedersachsen und konnte bisher überzeugen. In der Defensive haben die Neuzugänge Moritz Jenz aus Lorient und Cédric Zesiger von den Young Boys Bern bisher einiges abgeräumt. Laut „Fotmob“ sind die Wolfsburger mit Eintracht Frankfurt die einzige Mannschaft aus der oberen Bundesliga-Tabellenhälfte mit mehr als elf Fouls pro Spiel.
Trainer Kovač ist stolz auf die gemeinsame Entwicklung im Verein. Nachdem er das europäische Geschäft in der Vorsaison knapp verpasst hatte, ist er für die laufende Spielzeit zuversichtlich. „Es ist wichtig, dass wir schon ein Jahr zusammengearbeitet haben“, so der 51-Jährige. Die Saisonvorbereitung wurde vor allem dazu genutzt, seine eigene Idee mit einem neu aufgebauten Kader zu implementieren.
Einer seiner Schützlinge weiß dabei seit Saisonbeginn besonders zu überzeugen. Jonas Wind wirbelt die Bundesliga mit kühler, dänischer Luft und Kaltschnäuzigkeit auf. In dieser Saison war der Stürmer bisher an 80 Prozent der Wolfsburger Tore (acht von zehn) direkt beteiligt. Mit sieben Toren aus sieben Spielen liegt der 24-Jährige aktuell auf Platz vier der Torschützenliste – nur ein Tor hinter den hochkarätigen Sommer-Neuzugängen Harry Kane (FC Bayern) und Victor Boniface (Bayer Leverkusen).
Schon sein früherer Jugendcoach Jacob Neestrup sagte über den dänischen Nationalspieler: „Er ist einer dieser Spieler, wo du direkt gemerkt hast, welches Talent er hat.“ Vor seinem Wechsel nach Deutschland verbrachte der Stürmer zehn Jahre in seiner Heimat beim FC Kopenhagen. Für den Hauptstadtklub erzielte er in 114 Pflichtspielen 46 Treffer.
Angesichts dieser Empfehlung war er umso verwunderlicher, dass seine Zeit in Wolfsburg bis zum Sommer überwiegend durchwachsen verlief. In der vergangenen Spielzeit wurde er jedoch auch von Verletzungen geplagt und konnte erst gegen Saisonende langsam aufblühen. Mittlerweile konnte sich Wind in dieser Saison einen Rhythmus erspielen und stand in knapp 96 Prozent der möglichen Pflichtspielminuten auf dem Platz.
Ansonsten habe er an seiner Routine im Vergleich zur Vorsaison wenig verändert, erklärte er in einem „NDR“-Interview. „Ich versuche, noch ein bisschen präsenter im Sechzehner zu sein bei Flanken, mich darauf zu fokussieren, wo die Bälle hinkommen.“ Ein möglicher Erklärungsansatz für seine starke Leistungssteigerung: „Ich stehe gerade oft zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle.“
Mit aufgeladenen Akkus, Jonas Wind in Topform und einem entspannten Niko Kovač möchte der VfL Wolfsburg nach der Länderspielpause weiter angreifen. Um auf den skandinavischen Wind und Philosophen zurückzukommen: „Wer den Hafen nicht kennt, in den er segeln will, für den ist kein Wind der richtige.“ Ein Zitat des römischen Philosophen Lucius Annaeus Seneca. Für zehn Bundesligisten heißt es in der Hinrunde also noch: Winterklamotten bereithalten und sich warm anziehen.
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