Emre Can kann mit seinen erst 25 Jahren schon auf eine steile Karriere zurückblicken. Der gebürtige Frankfurter verbrachte seine Jugend in Frankfurt und München und durchlief ab der U15 alle deutschen Nationalmannschaften. Im Interview mit dem „kicker“ spricht der Mittelfeldspieler über seine Erfahrungen der letzten Jahre, junge Talente und seine Rolle in der Nationalmannschaft vor der Europameisterschaft 2020.
Can begann seine Profikarriere in München und spielte von 2011 bis 2013 in der ersten und zweiten Mannschaft. Das nächste Jahr verbrachte er in Leverkusen, ehe er 2014 dann nach Liverpool wechselte. Dort bestritt Emre Can 115 Spiele und erzielte zehn Tore. Letztes Jahr beendete der 25-Jährige seine Zeit in England und wurde in Turin unter Vertrag genommen. Die letzten Jahre haben den Nationalspieler extrem geprägt, wie er dem „kicker“ erklärt: „Es hat mich gestärkt, bereits in drei verschiedenen Ländern als Profi gespielt zu haben. In England wirst du körperlich gefordert, in Italien ist das Spiel taktisch geprägt. Jede Liga ist auf ihre Art spannend. Dadurch entwickelt man sich als Spieler weiter. Du reifst aber auch als Mensch, weil du früh Leistung zeigen und dich durchsetzen musst. Du lernst neue Kulturen kennen. Ich bin stolz auf meinen Weg und würde ihn jederzeit wieder gehen.“
Beim FC Liverpool war Can auf sich alleine gestellt, doch auch schon während seiner Zeit in München ging er seinen eigenen Weg. Die Selbstständigkeit in jungen Jahren half Can, sich als Spieler und auch als Mensch weiterzuentwickeln: „Vor fünf Jahren habe ich den Mund noch nicht aufbekommen, wenn mich der Trainer zum Gespräch gebeten hat. Heute ist das anders. Ich bin erwachsen geworden, ich weiß, was ich will. Und ich sage meine Meinung offen und ehrlich. Wenn es sein muss, fahre ich eben auch mal die Ellenbogen aus. Das alles hat mir extrem geholfen, mich auch als Persönlichkeit weiterzuentwickeln.“
Bei vielen jungen Talenten wird heutzutage von einer Verhätschelung und einem Mangel an Verantwortung gesprochen. Auch Emre Can bemerkt diese Entwicklungen im Nachwuchsbereich und kritisiert diese Einstellung: „Jetzt mal ganz ehrlich: Ich finde es schade, wie manche Jungs heutzutage mit ihrem riesigen Talent umgehen. Ich kann es auch nicht verstehen. Sie haben die Chance ihres Lebens, wenn sie bei den Profis mittrainieren dürfen. Dennoch legen manche teilweise eine Körpersprache an den Tag, die mich fast schon wütend macht. Ich weiß nicht ob sie im Kopf nicht klar genug sind, ob das Umfeld nicht stimmt. Ich gehe bei Juventus oft zu diesen Spielern hin, rede mit ihnen, versuche ihnen zu verdeutlichen, welche Möglichkeiten sich ihnen bieten, wenn sie Gas geben und sich zeigen. Aber einige verstehen es nicht.“
Die Gründe dafür sieht der gebürtige Frankfurter unter anderem im finanziellen Bereich: „Ich glaube, dass die jungen Spieler heutzutage zu früh zu viel Geld verdienen. Wenn du dir in so jungen Jahren schon sehr viel leisten kannst, dann kann dich das satt machen. Wem sollst du noch etwas beweisen? Warum sollst du dich auf dem Platz quälen? Als ich ein junger Spieler beim FC Bayern war, habe ich immer alles gegeben. Ich hatte aber zum Glück auch einen Förderer wie Jupp Heynckes, der immer mit mir gemeckert und mich angeschrien hat. Ich musste ans Kopfballpendel mit Hermann Gerland, musste stundenlang Pässe gegen die Wand spielen. Ich wusste damals nicht immer, warum. Das habe ich viel später verstanden.“
Zuletzt musste Emre Can in der Nationalmannschaft pausieren, nachdem er im Spiel gegen Estland mit einer roten Karte vom Platz ging. Die Europameisterschaft im kommenden Sommer ist Cans nächstes großes Ziel: „Ich bin nicht unverzichtbar. So ehrlich muss ich zu mir sein. Aber ich bin in der teaminternen Hierarchie sicher zuletzt ein Stück nach oben gerückt. Ich werde alles versuchen, um bei der EM dabei zu sein. Ich war 2016 in Frankreich dabei und weiß, worauf es ankommt. Das Wichtigste bis dahin ist, gesund zu bleiben und durch Leistung beim Klub und beim DFB den Bundestrainer von mir zu überzeugen. Ich möchte sein Vertrauen zurückzahlen.“
Gegen Argentinier rückte Can in die Innenverteidigung. Den Positionswechsel nahm der Mittelfeldspieler gelassen hin: „Ich fühle mich wohl in dieser Position. Generell, wenn ich im Zentrum spiele. Bis auf Mittelstürmer habe ich ja gefühlt schon jede Rolle einmal übernommen in meiner Karriere. Es wäre für mich kein Problem, würde ich künftig häufiger in der Innenverteidigung eingesetzt. Ich will mich beweisen.“
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