Christoph Daum tot – Unser Redakteur hat journalistisch mit Christoph Daum einiges erlebt – vom verpassten Meistertitel mit Bayer 04 in Unterhaching (2000) über seine legendäre Pressekonferenz im Januar 2001 bei seiner Rückkehr nach Köln bis hin zum ersten Sieg Daums mit dem FC bei Bayern München im Februar 2009.
Deshalb gilt: Wo fangen wir an? Am besten in Zürich. 6. Juli 2000. Vor der malerischen Kulisse des Zürichsees stießen Gerhard Delling, Franz Anton Beckenbauer und Günter Theodor Netzer mit Weißbier auf eine neue Ära im deutschen Fußball an.
„And the Winner is… Deutschland“ – Dieser Satz von FIFA-Boss Joseph S. Blatter elektrisierte – wenige Tage nach der blamablen EURO 2000 in Belgien und den Niederlanden mit dem „Aus“ in der Vorrunde – ein ganzes Land. Deutschland wurde WM-Gastgeber 2006.
In diese neue Fußball-Zeit konnte und sollte nur einer die DFB-Nationalmannschaft führen: Christoph Daum (46), Trainer und Motivationskünstler von Bayer Leverkusen. Darin waren sich alle einig. Noch.
„Ich freue mich sehr über die WM-Vergabe“, sagte Daum bei RTL, „und ich hoffe, dass ich persönlich mit einer neuen, starken Nationalmannschaft meinen Beitrag dazu leisten kann.“
Dazu kam es nicht. Der DFB konnte Daum nicht aus seinem bis 2001 laufenden Vertrag bei Bayer 04 heraus zu kaufen. Stattdessen sollte bis dahin ein Teamchef das am Boden liegende DFB-Team wieder aufbauen: Rudolf (Rudi) Völler, Sportdirektor bei Bayer Leverkusen.
Das war deshalb knifflig, weil Rudi Völler mit der DFB-Elf stark in die neue Länderspiel-Saison startete: 4:1 gegen Spanien und Pep Guardiola in Hannover, 2:0 gegen Griechenland im ersten WM-Quali-Spiel in Hamburg, 1:0 im letzten Länderspiel in Wembley gegen England im Oktober 2000.
Ein Spruch von Uli Hoeneß, Daums Intimfeind („Wenn die Gerüchte stimmen, auch über den verschnupften Daum, dann kann er nicht Bundestrainer werden.“), brachte die Lawine ins Rollen. Daum stürzte über eine Kokain-Affäre und verließ am 23. Oktober 2000 erst Bayer Leverkusen und dann Deutschland, suchte Abstand in Florida.
Der Daum-Skandal. Eine Sternstunde der Pharisäer und Sprücheklopfer. „Ich hätte mir die Haare gewaschen“, empfahl Trainer-Idol Felix Magath, als das Fiasko aber leider schon perfekt war.
Damit stand auch fest: Christoph Daum würde nach einem (bis dahin beispiellosen) Schmierenstück im deutschen Fußball der berühmteste Nicht-Bundestrainer aller Zeiten werden. Dass er die WM 2006 als Experte für premiere kommentierte, wirkte wie ein Treppenwitz.
Nicht-Bundestrainer – Den Anfang in diesem kleinen Kreis machte er: Weltmeister und Chefkritiker Paul Breitner 1998. Nach dem Rücktritt von Berti Vogts fiel das Los im kopf- und führungslosen Fußball-Deutschland schnell auf den Mann, der „Nur den Finger in Wunden legt, die sonst unter den Tisch gekehrt werden.“ Die telefonische Anfrage von DFB-Präsident Egidius Braun soll sich laut Breitner so angehört haben: „Herr Breitner, ich brauche Sie als Konkursverwalter des deutschen Fußballs.“ – ,,Toll, Herr Braun, Sie haben verstanden, wo der deutsche Fußball steht!“ Wenige Stunden später machte Braun den Rückzieher. Er hatte sich im Nachgang dann doch noch an Breitners deftige, aber meist auch berechtigte Kritiken erinnert…
2004 lag Fußball-Deutschland wieder am Boden. Zweites Vorrunden-„Aus“ bei einer EURO in Folge und Rücktritt von Rudi. Der DFB setzte – gewohnt unbeholfen – eine „Trainer-Findungs-Kommission“ ein, die erfolglos blieb.
BILD schickte seinen eigenen Kandidaten ins Rennen: Lothar Herbert Matthäus („Ich bin alt genug als Bundestrainer“), der gerade Nationalcoach von Ungarn war. Doch Daum-Freund und DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder („MV“ / † 2015), ein blitzgescheiter Haudegen, kam der BILD-Matthäus-Fraktion zuvor und holte den inzwischen in Kalifornien lebenden Welt- und Europameister Jürgen Klinsmann.
Daum wurde 2016 schließlich doch noch Nationaltrainer. In Rumänien („I’m more Romanian than you!“). Es war sein letzter Trainer-Job.
Ruhe in Frieden, Christoph Daum.
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