Elfmeterkrimi gegen Frankreich: Deutschland ist U17-Weltmeister
Es ist der zweite große Triumph innerhalb von sechs Monaten: Die deutsche U17-Nationalmannschaft krönt ein historisches Jahr 2023 mit dem WM-Titel. Die Mannschaft von Trainer Christian Wück gewann am Samstagnachmittag die Neuauflage des EM-Endspiels gegen Frankreich nach Elfmeterschießen mit 6:5. Der WM-Titel im indonesischen Surakarta ist der erste überhaupt für eine deutsche U17-Auswahl und der erste einer U-Nationalmannschaft seit der siegreichen U20 1981.
Deutsche U17 startet unverändert
Der Weg ins erste WM-Endspiel seit 38 Jahren war für die deutsche U17 kein leichter: in der K.-o.-Runde reichte es oft nur knapp zum Sieg. In einem Wechselbad der Gefühle setzten sich die DFB-Junioren nach Elfmeterschießen im Halbfinale gegen Argentinien durch (7:5). Trainer Wück setzte auch im Finale auf die elf Akteure, die gegen die Südamerikaner begonnen hatten. Torwart Konstantin Heide, umjubelter Matchwinner gegen Argentinien, erhielt erneut den Vorzug vor Max Schmitt.
Vor 20000 Zuschauern im Manahan Stadium erwischte Wücks Mannschaft einen guten Start in ihr siebtes Turnierspiel. Deutschland setzte Frankreich früh unter Druck und kombinierte flott nach vorne. Kölns Fayssal Harchaoui vergab nach einer Ecke die erste deutsche Chance (2.). Zwei Minuten später erzielte Paris Brunner nach Vorlage von Max Moerstedt das erste Tor für die DFB-Auswahl – beide standen jedoch im Abseits, der Treffer zählte nicht (4.). Die französische Mannschaft leistete sich vor dem eigenen Strafraum viele unnötige Ballverluste und kam nicht in die Partie. Das Spiel der „kleinen“ Équipe Tricolore war behäbig und langsam. Moerstedt hatte die nächste gute Gelegenheit für die DFB-Elf (9.).
Brunner vom Punkt zur Führung
Nur einmal war Deutschlands Torhüter Heide in der ersten Halbzeit richtig gefordert. In der 22. Minute faustete der Unterhachinger einen Schlenzer von Saimon Bouabré stark zur Seite weg. Der Offensivspieler war mit einem Solo in den deutschen Strafraum gezogen und zog aus halblinker Position ab. Die deutsche Mannschaft setzte einmal mehr auf ihr Umschaltspiel über die Außenbahnen, das sie schon in den vergangenen WM-Spielen gezeigt hatte.
Nach einer guten Kombination über Moerstedt und Brunner kam Darvich zum Abschluss. Doch auch Frankreichs Keeper Paul Argney war hellwach und konnte parieren (23.). Bilal Yalcinkaya kam nach dem anschließenden Klärungsversuch von Meupiyou an den Ball. Der Hamburger wurde beim Schussversuch von Aymen Sadi zu Fall gebracht (24.) – eine knifflige Szene: Es war unklar, ob eine neue Spielsituation entstand, als Yalcinkaya an den Ball kam. Referee Espen Eskas aus Norwegen entschied nach minutenlanger, intensiver VAR-Überprüfung aber zu Recht auf Elfmeter (27.).
Paris Brunner, der nach seiner Suspendierung im Verein im Vorfeld des Turniers zum Leistungsträger bei der WM avancierte, verwandelte sicher (29.). Der Dortmunder belohnte die deutschen Bemühungen mit seinem fünften Turniertor. Die DFB-Youngsters blieben auch nach dem Führungstor die aktivere Mannschaft und schnürten die Franzosen in ihrer eigenen Hälfte ein. Erneut prüften Moerstedt (37.) und Brunner (45+4.) Argney. Mit einer verdienten 1:0-Führung für Deutschland ging es in die Halbzeitpause. Trotz der Überlegenheit konnte das Team von Trainer Wück die Führung zwar nicht weiter ausbauen, dennoch lief alles nach Plan.
Agilere Franzosen gleichen aus
Die deutsche U17 kam unverändert aus der Pause. Bei Frankreich ersetzte Nhoa Sangui den Elfmeter-Verursacher Sadi (46.). Die französische Mannschaft startete aktiver in den zweiten Abschnitt und wirkte wie ausgewechselt. Die Risikobereitschaft der Franzosen wurde aber erst mit mehr Fehlpässen und dem zweiten Gegentor bestraft. Nach einem Zuspiel von Moerstedt verpasste Brunner in der Mitte, ehe Kapitän Noah Darvich am langen Pfosten aus spitzen Winkel das 2:0 erzielte (51.). Der 17-Jährige aus der Nachwuchsakademie des FC Barcelona nutzte nach einem Bilderbuch-Konter die erste gute Chance der zweiten Halbzeit.
Die gegnerische Antwort ließ jedoch nicht lange auf sich warten: Saimon Bouabré erzielte nach schöner Einzelleistung per Flachschuss den Anschlusstreffer zum 1:2 (53.). „Les Blues“ kamen in der zweiten Halbzeit immer mehr in Fahrt. Nach einer Ecke musste Heide einen Kopfball von Yvann Titi mit viel Mühe parieren (55.). Es entwickelte sich ein Spiel auf ein Tor – begünstigt durch den Platzverweis von Deutschlands Winners Osawe (69.). Der Mittelfeldspieler kam im Laufduell gegen Frankreichs Bouneb zu spät und sah die Gelb-Rote Karte. Bitter für die DFB-Auswahl.
Die deutsche U17 hatte in Unterzahl fortan nur noch ein Ziel: den Ball von der eigenen Gefahrenzone fernzuhalten. Moerstedt kam noch einmal gefährlich vor das Tor von Argney und sorgte für Entlastung – zu dem Zeitpunkt ein Fremdwort für die kompakte deutsche Defensive. Der Hoffenheimer erwischte den Ball zwar nicht, konnte aber wichtige Sekunden von der Uhr nehmen (82.). Doch der Dauerdruck der französischen U17 zahlte sich aus: Tidiam Gomis leitete über die rechte Seite einen sehenswerten Angriff ein und spielte flach ins Zentrum, wo Mathis Amougou nur noch einschieben musste (85.). Der 2:2-Ausgleich war verdient.
Heide wird erneut zum Helden
Deutschland versuchte, das Unentschieden mit einem Spieler weniger über die Zeit zu bringen. Torwart Heide stand bei Aktionen von Bouneb und Titi richtig und war maßgeblich an der Defensivarbeit des deutschen Teams beteiligt (89./90+2.). In der Offensive scheiterte Brunner an Frankreichs Keeper Argney, den Nachschuss setzte Moerstedt knapp über das Tor (90.). Nach zehn Minuten Nachspielzeit konnten sich die DFB-Junioren unbeschadet ins Elfmeterschießen retten. Bei U17-Turnieren gibt es keine Verlängerung.
Wie schon gegen Argentinien wurde Deutschlands Keeper Konstantin Heide im Elfmeterschießen erneut zum Sieggarant. Dabei begann das Elfmeterschießen bitter: Die deutsche Mannschaft geriet nach dem ersten verwandelten Elfmeter der Franzosen ins Hintertreffen. Rechtsverteidiger Eric da Silva Moreira vergab den ersten Strafstoß. Beim Stand von 1:2 verschoss der eingewechselte Sangui, bevor Moerstedt den deutschen Fehlschuss ausmerzen konnte.
Heide parierte im weiteren Verlauf zwei Elfmeter, während Brunner den ersten deutschen Matchball vergab. Almugera Kabar aus der U19 von Borussia Dortmund sorgte schließlich mit dem 4:3-Endstand für den grenzenlosen deutschen Jubel. Prompt folgten Glückwünsche aus Politik und Sport. Sogar Bundeskanzler Olaf Scholz gratulierte: „Weltmeister! Ihr habt es euch verdient. Respekt für diese großartige Teamleistung, das packende Turnier und die Begeisterung, für die Ihr gesorgt habt. Herzlichen Glückwunsch, liebe U17.“
WM-Finale: Deutschland U17 – Frankreich U17 (2:2) 6:5 n.E.
Deutschland U17: Heide – da Silva Moreira, Jeltsch, Odogu, Hennig (88. Herwerth) – Harchaoui, Osawe – Yalcinkaya (67. Ramsak), Darvich (74. Kabar), Brunner – Moerstedt
Frankreich U17: Argney – Titi, Kayi Sanda, Meupiyou, Sadi (46. Sangui) – Amougou – Gomis, Bouneb, Sylla, Bouabré (90+4. Diallo) – Lambourde (90. Tincres)
Tore: 1:0 Brunner (29., FE), 2:0 Darvich (51., Moerstedt), 2:1 Bouabré (53., -), 2:2 Amougou (85., Gomis)
Elfmeterschießen: Frankreich begann – Kayi Sanda (0:1), da Silva Moreira (X, Argney hält), Bouneb (0:2), Ramsak (1:2), Sangui (X, verschießt), Moerstedt (2:2), Meupiyou (X, Heide hält), Harchaoui (3:2), Tincres (3:3), Brunner (X, Argney hält), Gomis (X, Heide hält), Kabar (4:3).
Gelb-Rote Karte: Osawe (69.).
„Viele haben ganz große Karriere vor sich“
DFB-Geschäftsführer Sport Andreas Rettig ergänzte: „Diese Mannschaft hat uns alle emotionalisiert, wir sind mächtig stolz auf das Team. Mit zwei Titeln haben sie ein perfektes Jahr hingelegt. Es ist beeindruckend, wie sie den Widerständen auf und neben dem Platz getrotzt haben und dadurch sogar noch enger zusammengerückt sind.“ Vor sechs Monaten hatte die U17 bereits den EM-Titel gewonnen, ebenfalls gegen Frankreich im Elfmeterschießen.
Deutschlands erster U17-WM-Titel ist für den Jahrgang 2006 der krönende Abschluss eines historischen Jahres. Wie schon bei der EM wurde Dortmunds Paris Brunner als bester Spieler des Turniers ausgezeichnet. Für den stolzen Trainer Christian Wück war es das letzte Spiel mit diesem Kader: „Ich habe den Jungs vorher gesagt, dass sie sich heute unsterblich machen können. Ich bin so dankbar, diesen Jahrgang zu betreuen. Mir fehlen die Worte, es ist ein unglaubliches Glücksgefühl – das ist unglaublich.“
Für einige Spieler ist der Titelgewinn in Indonesien der Startschuss einer großen Karriere. Für andere wird es der Höhepunkt bleiben. DFB-Sportdirektor Rudi Völler ist sich jedoch sicher: „Die Jungs haben großes Talent, wenn sie so weiterarbeiten und sich verbessern, wenn sie fit bleiben und gut beraten werden, können sie auch A-Nationalspieler werden, dann haben viele eine ganz große Karriere vor sich.“
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