Kuntz vor Türkei-Wechsel: DFB wartet auf „Bitte um Freigabe“
Die türkische Nationalmannschaft braucht einen neuen Trainer. Dabei war man im März noch überraschend stark in in die WM-Qualifikation gestartet. Einem 4:2 über die Niederlande hatten regelrecht berauschte Türken ein 3:0 in Norwegen folgen lassen. Das anschließende 3:3 gegen Lettland wurde am Bosporus daher als Ausrutscher verbucht. Doch nachdem das eigentlich so talentierte Team um Inter-Star Hakan Calhanoglu bei der EM als punktloser Gruppenletzter sang- und klanglos schon in der Vorrunde ausschied, musste es jedem Türken mit Blick auf die WM in Katar große Sorgenfalten auf die Stirn treiben. Die jüngste 1:6-Klatsche gegen die Niederlande führte folglich zur Entlassung von Senol Günes. Die Türkei braucht also einen neuen Trainer. An namhaften Anwärtern auf das Amt mangelt es nicht. Allen voran Stefan Kuntz gilt als aussichtsreicher Kandidat.
Flick holte Kuntz 2016 zum DFB
„Stefan Kuntz. Ausgewiesener Fachmann, in Deutschland sehr angesehen. Mehrfach U21-Europameister geworden. Ein sehr emotionaler Trainer, der gut mit jungen Spielern arbeiten kann. Und alles andere müssen dann die Gespräche zwischen Verband und Stefan Kuntz klären.“ So äußerte sich BVB-Coach Marco Rose, als er nach Dortmunds 2:1 bei Besiktas Istanbul während der Pressekonferenz auf die Personalie Kuntz angesprochen wurde. Und der frühere Stürmer, in der Saison 1995/96 für Besiktas (30 Spiele, neun Tore) auf Torejagd, gilt in der Türkei aktuell als der Topfavorit auf Günes‘ Nachfolge.
Seine Erfolge sprechen schließlich für sich. Als Spieler erzielte der Europameister von 1996 in 449 Bundesligaspielen für Bochum, Uerdingen, Lautern und Bielefeld 179 Treffer. Er wurde mit Lautern Deutscher Meister und Pokalsieger, insgesamt zweimal Torschützenkönig und 1991 Deutschlands Fußballer des Jahres. Der Trainer Kuntz jedoch betrat erst 2016 die große Bühne. Von Hansi Flick, damals noch DFB-Sportdirektor, wurde er als U21-Nationaltrainer installiert. Und das 13 Jahre nach seiner letzten Trainerstation.
2017 und in diesem Jahr, als krasser Außenseiter, gewann die U21 unter seiner Führung den EM-Titel. 2019 unterlagen seine Jungs erst im Finale. Dennoch kam der 58-Jährige für DFB-Direktor Oliver Bierhoff wohl nie ernsthaft als Löw-Erbe in Frage. Die Folge: Ein verärgerter Kuntz, vertraglich noch bis 2023 an den DFB gebunden, sieht sich anderweitig um.
U21-Coach als Favorit: „Ich war in Istanbul“
Mit dem russischen Fußballverband soll es nach „kicker“-Informationen in diesem Sommer Gespräche gegeben haben. Zu einer Zusammenarbeit kam es nicht. Gerüchte, dass sein Engagement in der Türkei nur noch reine Formsache sei, relativierte er am Dienstagabend: „Auf Einladung des türkischen Fußballverbandes war ich zu ersten Gesprächen in Istanbul, es gibt aber noch keine Entscheidung zu vermelden.“
So weit, so gut. Immerhin gehört offenbar auch ein gewisser Andriy Shevchenko zum Kandidatenkreis. Der 44-Jährige führte die Ukrainer bei der EM bis ins Viertelfinale, unterschrieb anschließend aber keinen neuen Vertrag mehr. In der Türkei scheint beim neuen Nationalmannschaftsdirektor Hamit Altintop ganz oben auf der Liste allerdings Kuntz zu stehen. Der ebenfalls gehandelte Gennaro Gattuso, zuletzt in Neapel und Florenz tätig, ist für den langjährigen Bundesliga-Profi (192 Spiele für Schalke, Bayern und Darmstadt) wohl kein Thema.
DFB fordert Ablöse für Kuntz
In der WM-Quali-Gruppe G liegt die Türkei hinter den Niederlanden und Norwegen mit Erling Haaland derzeit nur auf Platz drei. Sollte Kuntz erstmals eine A-Nationalmannschaft übernehmen und das türkische Team wirklich zur WM in Katar führen, könnte er dort brisanterweise auf Deutschland und Flick treffen.
Solche sportlichen Aussichten plus die finanziellen Vorteile sprechen für einen Wechsel. Der sichere Job beim DFB und ein Rauswurfszenario in der Türkei wiederum dagegen. Für den Fall, dass sich Kuntz nach Beratungen mit der Familie letztlich für den Schritt in die Türkei entscheidet, sind der DFB und Joti Chatzialexiou, Sportlicher Leiter Nationalmannschaften, längst vorbereitet. „Wir warten noch auf die finale Rückmeldung von Stefan. Erst wenn er mit einem konkreten Wechselwunsch und der Bitte um Freigabe zu uns kommt, folgen die nächsten Schritte.“ Etwa die Verhandlungen um die Ablöse. Aufgrund seiner Erfolge würde der DFB seinen Erfolgstrainer jedenfalls ziehen lassen.
Die Tendenz geht bei Kuntz offenbar in Richtung Abschied. „Ich würde Stefan grundsätzlich zutrauen, eine Nationalmannschaft zu trainieren“, sagte nun Wolfsburgs Manager Jörg Schmadtke in „Bild“. „Warum sollte es bei der Türkei Probleme geben? Er hat dort gespielt und kennt die Mentalität. Ich bin mir sicher, dass er für sich die richtige Entscheidung treffen wird.“ Denn die türkische Nationalmannschaft braucht einen neuen Trainer.
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