Aufopferungsvoll gekämpft, taktisch hervorragend eingestellt und doch die Sensation verpasst: Union Berlin unterlag bei der Champions-League-Premiere Rekordgewinner Real Madrid in letzter Sekunde mit 0:1. Trotz der bitteren Niederlage haben die „Eisernen“ Geschichte geschrieben und können viel Positives und Mut aus dem Spiel mitnehmen.
Die Zahlen lügen nicht: Real Madrid war erwartungsgemäß der dominante Favorit. 75 Prozent Ballbesitz, 813:263 Pässe, 32:4 Torschüsse. Das knappe Ergebnis spiegelt diese Dominanz lange nicht wider. Tapfere Unioner – ein Verein, der vor einigen Jahren noch in der zweiten Bundesliga gegen namenlose Klubs aus Sandhausen und Aue spielen musste – hielten dem milliardenschweren Fußballimperium aus der spanischen Hauptstadt lange Paroli. Und das in einer der Kathedralen des Weltfußballs: dem Estadio Santiago Bernabéu. Erst in der Nachspielzeit erlöste Jude Bellingham die „Königlichen“ und erzielte den späten Siegtreffer.
„Das späte Gegentor ist für die ganze Mannschaft sehr bitter“, hielt Unions Torwart Frederik Rönnow nach dem Abpfiff fest. Das bittere Ende hinterlässt beim Keeper Enttäuschung, nachdem er den Underdog mit teils Glanzparaden lange vor dem Rückstand bewahren konnte. „Wenn du im Bernabéu bis zu 90.+3 Minute das 0:0 hältst, willst das Ergebnis natürlich über die Zeit bringen.“
Dennoch zeigte sich der Däne gegenüber der „dpa“ zufrieden mit dem ersten Champions-League-Auftritt des Bundesligisten: „Es war eine sehr gute Leistung von uns, wir haben mit Mut und Selbstvertrauen gespielt.“ Das würdigten auch die knapp 4000 mitgereisten Fans, die ihre Mannschaft nach dem Schlusspfiff mit lauten „Eisern Union!“-Rufen feierten. Auch Union-Trainer Urs Fischer war stolz „auf die Leistung der Mannschaft“ und hob besonders die Anfangsphase seiner Elf hervor. Nach zwei Chancen von Real-Stürmer Joselu (3. & 6. Minute) ließ die „eiserne“ Defensive um Debütant Leonardo Bonucci wenig zu.
„Die erste halbe Stunde war sehr gut, die Jungs haben sehr erwachsen gespielt und waren auch frech mit dem Ball“, resümierte Fischer. Danach hätten sich jedoch „die ersten Fehler eingeschlichen“, so der Schweizer. In der zweiten Halbzeit riss Real Madrid das Spiel komplett an sich und belagerte den Sechzehner der Köpenicker. „Nach der Pause hatten wir kaum noch Entlastung“, erkannte Fischer, der angesichts der vielen brenzligen Situationen vor dem eigenen Tor auch von einem glücklichen Ergebnis sprach.
„Wir hatten mehrmals das Glück auf unserer Seite“, gab der 57-Jährige zu. Daher sei der spanische Tabellenführer „wohl der verdiente Sieger.“ Routinier Kevin Behrens drückte nach dem Abpfiff einen emotionalen Zwiespalt in Worten aus. Der Offensivspieler zeigte in erster Linie sich für die wenigen Offensivaktionen der Berliner verantwortlich. Nach dem Spiel war seine Gefühlslage „gemischt.“
„Auf der einen Seite ist es extrem enttäuschend, dass wir nach so einem guten Spiel am Ende noch verlieren.“ Andererseits sei er „auch stolz, dass wir in Madrid so gut mithalten konnten und ein gutes Auswärtsspiel absolviert haben.“ Am Ende fehlte dem Bundesliga-Aufsteiger der Saison 2018/19 gegen den 35-fachen spanischen Meister, 20-fachen Pokalsieger und 14-maligen Champions-League-Sieger aus Madrid wohl nur eine Minute zum Remis.
Vor dem Spiel zeigte sich Unions Trainer Urs Fischer gewohnt bodenständig: „Du weißt als Spieler oder Trainer nicht, wie oft Du hier spielen wirst.“ Das Champions-League-Debüt sollte ein besonderes Erlebnis werden. Eine Partie, die so schnell nicht wiederkommen sollte und die man genießen sollte. Es wurde ein Erlebnis, ein Abend für Fußball-Romantiker – mit später tragischer Komponente.
Dennoch gilt für Union Berlin der Blick nach vorn. Die Köpenicker können aus der knappen Niederlage im Bernabéu Mut schöpfen und haben bewiesen, dass sie auch auf höchstem Niveau ihre Gegner ärgern und vielleicht sogar schlagen können. Die nächste Chance steigt am 3. Oktober im Olympiastadion des Stadtrivalen Hertha BSC gegen Sporting Braga aus Portugal.
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