Fake-Albärt & irre Fans: Die schönsten Geschichten der ersten EM-Spiele
Das erste Wochenende der Fußball-Europameisterschaft 2024 in Deutschland ist vorbei. Sieben Partien sind ausgetragen, einige Städte und ihre Kneipen wurden von Fans verschiedener Nationen gestürmt und es fielen viele Tore. Abgesehen von der noch schleichenden Euphorie einiger deutschen Fans ist für einen perfekten EM-Sommer eigentlich alles angerichtet. Obwohl erst drei Tage des Turniers vergangen sind, hat die EURO 2024 bereits einige schöne Geschichten geschrieben – hier sind ein paar davon.
Deutschland feiert Auftakt nach Maß
Die deutsche Nationalmannschaft feierte mit einem 5:1-Sieg gegen Schottland einen perfekten Auftakt. Jamal Musiala, Florian Wirtz und Co. zauberten Deutschland zum ersten Auftaktsieg bei einem großen Turnier seit 2016. Nebenbei stellte der scheidende Toni Kroos mit einem einzigen Fehlpass von 102 verteilten Bällen einen neuen EM-Rekord auf. Ausgerechnet im eigenen Land. Als ob das Sportliche nicht schon kitschig genug wäre, schrieb der Fußball beim ersten Spiel der EM 2024 mehrere Drehbücher abseits des Platzes.
Zugegeben: Die Eröffnungsfeier vor dem Anpfiff war mäßig unterhaltsam. Doch während Tänzer in verschiedenfarbigem Gewand über das provisorische Parkett der Allianz-Arena glitten, spielten sich im Hintergrund zwei kleine Geschichten ab. Es mag eine Weile gedauert haben, bis die Zuschauer im Stadion einen Überblick über die große Zeremonie erlangten. Kein Wunder also, dass selbst die UEFA erst spät bemerkte, dass plötzlich zwei Maskottchen im Einsatz waren.
Falscher „Albärt“ crasht Eröffnungsfeier der EM 2024
Vor Deutschlands EM-Auftakt tanzte zeitweise ein falscher „Albärt“ am Rande des Spielfelds. Unter dem Kostüm steckte ein alter Bekannter des DFB: der YouTuber Marvin Wildhage. Nachdem er als Spieler bereits das letzte öffentliche Training der DFB-Auswahl vor EM-Start gecrasht hatte, kehrte er zum Auftaktspiel zurück. In einem für 5.000 Euro angefertigten Kostüm schmuggelte er sich während der Eröffnungs-Zeremonie auf den Rasen.
Nach mehr oder weniger erwünschten Probetrainings bei Erst- und Zweitligisten und seinem „Nationalmannschaftsdebüt“, machte er als „Albärt“ am Spielfeldrand Fotos – sogar mit Ex-DFB-Stürmer Mario Gomez. Seine persönliche „EUROphorie“ währte jedoch nur kurz. Nach einiger Zeit wurde der Content-Creator von einer UEFA-Offiziellen vom Feld geführt. Dabei traf das falsche Maskottchen in den Katakomben auch auf das Original. Ob das Bären-Cosplay mehrere Stunden Polizei-Gewahrsam und Stadionverbot für die EM wert war, ist eine andere Geschichte.
Gruß an „Kaiser Franz“: Plötzlich wurde es still
Doch die Eröffnungsfeier in München hatte einen anderen Höhepunkt. Heidi Beckenbauer, Witwe von „Kaiser“ Franz Beckenbauer, durfte die Trophäe auf den Rasen tragen. Zwei der drei bisherigen Kapitäne der deutschen Nationalmannschaft bei den EM-Triumphen, Jürgen Klinsmann und Bernhard Dietz, nahmen Frau Beckenbauer in ihre Mitte. Ein emotionaler Moment, war ihr Mann doch einer der Hauptinitiatoren des letzten deutschen Heimturniers 2006.
Minutenlang gab es Applaus. Der deutsche „Kaiser“ prangte wieder auf der Münchner Anzeigetafel. Nach Minuten voller Vorfreude und singenden schottischen Fans wurde es plötzlich relativ still. Ein Gänsehaut-Moment, den Witwe Heidi mit einem Gruß in den Himmel abrundete. Der EM-Pokal war rührend angekommen, die Eröffnung noch gerettet. Manchmal braucht es keine große Pyro-Show, sondern die kleinen Momente.
„Tartan Army“ trinkfest und mit Herz
Man könnte meinen, dass deutsche Städte und ihre Stadien verrückte Fans gewohnt sind. Wie einige angereiste Anhänger ihre Nationalmannschaft unterstützten, stellte jedoch vieles der deutschen Fankultur in den Schatten. Kostprobe gefällig? Die schottische „Tartan Army“, deren Ziel es war, die Münchner Bars zu leeren. Obwohl ihre Mannschaft sportlich kaum etwas erwartet – und mit einer 1:5-Klatsche gegen die DFB-Auswahl schwach ins Turnier startete – feierten ihre Fans ausgelassen. Während der EM werden rund 200.000 schottische Fans erwartet. Viele trugen traditionell Schottenröcke und waren bis spät in die Nacht in Biergärten am Werk.
Lauthals grölten sie ihre Hymne, „No Scotland No Party“ von Nick Morgan. Selbst als das Bier ausging. „Natürlich hat München nicht genug Alkohol für uns. Wir sind Schotten!“ Eine starke Leistung angesichts der bayrischen Bierkultur. Doch die Schotten sind weit mehr als starke Trinker. Sie haben ein großes Herz. „In jeder Stadt, in der wir Schottland anfeuern, unterstützen wir ein soziales Projekt“, verriet Neil Forbes, Boss des „Tartan Army Sunshine Appeal“. In München unterstützen sie das Team Bananenflanke, ein Fußballverein für Kinder mit geistiger Behinderung.
„Oranje“ verrückt und Kampf der Kulinarik
Auch den niederländischen Fans gelang es, für einen Tag eine deutsche Großstadt zu erobern: Freunde aus dem Nachbarland nahmen Hamburg ein. Nach Angaben der Hamburger Polizei marschierten rund 13.000 Mitglieder der „Oranje“-Fraktion durch die Hansestadt. Gemeinsam und friedlich stimmten sie sich auf das Auftaktspiel ihrer Mannschaft ein. Einzig die englischen Fans waren vom Spielort nicht beeindruckt. Gelsenkirchen habe keinerlei Kniepen oder Stripclubs und sei ein „Drecksloch“. Ganz England fand „Gels’nkörken“ hässlich? Nein, selbst die eigenen Kollegen widersprachen: „Es ist kein Drecksloch, England ist ein Drecksloch. Das hier ist ein guter Ort.“
Auch die Kulinarik der jeweiligen Länder spielt bei den Anhängern eine Rolle. So plädierten polnische Fans dafür, Kiełbasa, polnische Wurstsorten, seien besser als holländischer Gouda. Laut den Schweizer Fans schmeckt nur ungarisches Gulasch aufgewärmt gut. Trotz aller gemeinsamen Volkstänze waren die albanischen Fans skrupellos, was die italienische Küche anging. In den sozialen Netzwerken ging ein Clip viral, in dem ein albanischer Fan zum Entsetzen seiner italienischen Kollegen eine Packung Spaghetti zerbrach – ohne „scusi“.
Auf dem Platz: Eriksen-Märchen und Can-Tor
Wer glaubt, dass die bereits gespielten Partien der EURO 2024 neben den Geschichten abseits des Platzes untergehen, kann vom Gegenteil überzeugt werden. Deutschland gelang mit einer Glanzleistung gegen Schottland der höchste EM-Sieg seiner Geschichte. Den Schlusspunkt setzte natürlich einer, der eigentlich nicht hätte dabei sein sollen: Bundestrainer Julian Nagelsmann erntete viel Kritik für die Nachnominierung von Borussia Dortmunds Emre Can. Spätestens nach dessen Schlenzer zum 5:1-Endstand war diese verstummt.
Im zweiten Spiel der Gruppe A leitete der Schweizer Kwadwo Duah mit seinem ersten Länderspieltor im zweiten Spiel einen 3:1-Auftaktsieg ein. Albanien verlor zwar gegen Italien, erzielte aber nach nur 22 Sekunden das schnellste Tor der EM-Geschichte. Spaniens 16-jähriger Lamine Yamal begeisterte gegen Kroatien als jüngster EM-Spieler aller Zeiten. Der niederländische Edeljoker Wout Weghorst verhalf seiner Nation – wie schon 2022 bei der WM in Katar – spät zu einem wichtigen Sieg.
Nach einem Herzstillstand bei der letzten Europameisterschaft feierte Dänemarks Christian Eriksen ein EM-Comeback mit Herz. Sein größter Wunsch vor dem Auftaktspiel gegen Slowenien? Das Niveau von vor drei Jahren wieder zu erreichen und alles über die erste Partie hinaus. 1.100 Tage nach dem Drama bei der EM 2021 sorgte er sogar für die 1:0-Führung. Ein neues Fußballmärchen war geschrieben.
Obwohl er zum Spieler des Spiels gekürt wurde, konnte sich der Manchester-United-Profi nicht vollends über seine gelungene EM-Rückkehr freuen. „Danish Dynamite“ kam gegen Slowenien – erstmals seit 2000 dabei – nicht über ein 1:1 hinaus. Viele Geschichten, die der Fußball in drei EM-Tagen geschrieben hat und viele, die er noch schreiben wird.
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