WM Katar 2022

Gefangen zwischen Hoffnung und Angst – WM-Vorschau: England

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England gilt bekanntlich als das Mutterland des Fußballs. Umso ungewöhnlicher erscheint es, dass ausgerechnet dieses Mutterland auf der größten Bühne der Welt kaum Erfolge vorzuweisen hat. Abgesehen von der WM 1966, bei der die ‚Three Lions‘ im eigenen Land bekanntlich ihren einzigen Titel holten, endeten Weltmeisterschaften stets in großer Enttäuschung. In den vergangenen Jahren brachte Trainer Gareth Southgate dann die Hoffnung zurück, dass der große Wurf endlich wieder gelingen kann. Pünktlich im Vorfeld zur Weltmeisterschaft 2022 in Katar kommen nun aber wieder die Zweifel zurück. Die Angst vor einer erneuten Enttäuschung ist greifbar.

Überragende Qualifikation, katastrophale Vorbereitung

Seit 2018 zeigte die Formkurve bei den Engländern eigentlich stetig nach oben. Bei der WM 2018 in Russland erreichte man zum ersten Mal seit 1990 wieder das Halbfinale. Drei Jahre später verhinderte nur die bittere Niederlage nach Elfmeterschießen im EM-Finale gegen Italien den ersten großen Titel seit dem WM-Triumph 1966. In die Reihe dieser Erfolge fügt sich auch die mehr als souveräne Qualifikation für die Endrunde in Katar ein. Mit acht Siegen und zwei Unentschieden in zehn Partien landete England deutlich vor Polen, Albanien und Ungarn.

Jene Ungarn waren es dann aber auch, die den Engländern einige Monate später in der UEFA Nations League große Bauchschmerzen bereiteten. Einer 0:1-Niederlage im Hinspiel folgte eine 0:4-Demütigung vor dem eigenen Publikum im Wembley-Stadion. Auch gegen Italien und Deutschland gab es jeweils keinen Sieg. Ergebnis war am Ende der deutliche Abstieg aus der A-Gruppe der Nations League. Mit diesem letzten Eindruck im Hinterkopf treten die ‚Three Lions‘ nun die Reise zur WM an.

Star-Spieler: Harry Kane

‚Captain‘ Kane erzielte in der WM-Qualifikation 12 Tore in acht Spielen. Foto: Martin Rose/Getty Images

Auf dem Papier ist der Kader der Engländer wohl einer der stärksten im gesamten Teilnehmerfeld. Auf den meisten Positionen hat Trainer Southgate mehrere Optionen. Ein Spieler, der trotzdem klar gesetzt sein wird, ist Harry Kane. Der 29-jährige Angreifer von Tottenham Hotspur hat im Nationaldress eine beeindruckende Quote von 51 Toren in 75 Länderspielen. Bei der WM 2018 wurde Kane bereits Torschützenkönig. Auch diesmal muss man den englischen Mannschaftskapitän wieder auf der Rechnung haben.

Das Team ist aber auch noch mit vielen weiteren internationalen Topspielern besetzt. In der Offensive sollen Phil Foden und Raheem Sterling zusätzlich für Gefahr sorgen. Im Mittelfeld werden die Augen auf den einzigen Bundesliga-Legionär gerichtet sein: Jude Bellingham. Der Mittelfeldspieler ist gleichzeitig auch der einzige Profi im englischen Kader, der nicht auf der Insel aktiv ist.

Die Qualität im englischen Kader wird noch einmal besonders deutlich, wenn man bedenkt, dass sich Spieler wie Mason Mount, Jordan Henderson oder Trent Alexander-Arnold vermutlich zunächst mit einem Platz auf der Bank begnügen werden müssen. Auf den 21-jährigen Bukayo Saka wird besonders zu achten sein. Der Flügelspieler spielt beim FC Arsenal eine hervorragende Saison und zeigte nicht zuletzt Ende September im Länderspiel gegen Deutschland, dass er auch von der Bank eine Waffe sein kann.

So könnten sie spielen:

Foto: Christian Kaspar-Bartke/Getty Images. Design: Maximilian Dymel/Fussballeck.

Wer fällt aus?

England muss verletzungsbedingt auf Reece James verzichten. Der flexibel einsetzbare Verteidiger vom FC Chelsea laboriert an einer Knieverletzung. Auch Linksverteidiger Ben Chilwell (Oberschenkelverletzung) steht bei der WM nicht zur Verfügung.

Auf Spieler wie den Ex-Dortmunder Jadon Sancho, Innenverteidiger Fikayo Tomori oder die Angreifer Tammy Abraham und Ivan Toney verzichtete Southgate hingegen aus sportlichen Gründen. Ein weiterer Beweis, über welch große Menge an hochtalentierten Akteuren England insgesamt verfügt.

Statistik gegen Gruppengegner

Der Weltmeister von 1966 und der Iran haben noch nie gegeneinander gespielt. Das WM-Gruppenspiel in Katar wird für beide Mannschaften eine Premiere.

England traf in der Geschichte neunmal auf die USA. Sechsmal konnten die ‚Three Lions‘ siegen – 1964 sogar mit 10:0. Ein Duell endete Unentschieden, zweimal gewannen die Amerikaner. Das Gruppenspiel in Katar ist nach 1950 und 2010 das dritte Aufeinandertreffen der beiden Mannschaften bei einer WM-Endrunde. Brisant: Die USA sind bei Weltmeisterschaften gegen die Engländer noch ungeschlagen.

Gegen die Nachbarn aus Wales spielten die Engländer bisher ganze 103 Mal. 68 Duelle konnten die Engländer gewinnen, 14 Mal gingen die Waliser als Sieger vom Platz. 21 Begegnungen endeten unentschieden. Das letzte Aufeinandertreffen im Oktober 2020 konnten die ‚Three Lions‘ mit 3:0 für sich entscheiden.

Southgate in der Kritik

Trainer Southgate ist in England trotz seiner Erfolge in der jüngeren Vergangenheit längst nicht mehr unumstritten. Kritiker werfen ihm vor, dass er aus dem Pool an hochveranlagten Offensivspielern zu wenig mache. Während seiner Amtszeit hat man oft beobachten können, dass Southgate in erster Linie auf eine stabile Defensive setzt. Die defensive Kompaktheit im 3-4-3-System war tatsächlich auch einer der Garanten für den EM-Finaleinzug vor knapp eineinhalb Jahren.

Zuletzt offenbarten die ‚Three Lions‘ aber auch offensichtliche Defensivschwächen. Als Sündenbock dafür wurde vor allem Innenverteidiger Harry Maguire ausgemacht. Der United-Akteur befindet sich seit Monaten in einem Formtief, doch Southgate hielt stets an ihm fest. Allgemein scheint der 52-jährige Übungsleiter nur ungern von seinem Matchplan abzuweichen. Für die einen mag das Ausdruck von bedingungsloser Überzeugung sein, die anderen mögen es für Starrsinn halten.

In der ausgeglichenen Gruppe B trifft England auf den Iran, die USA und Wales. Selbstverständlich sind die Engländer hier Favorit auf den Gruppensieg. Sollte sich der negative Trend der vergangenen Monate aber auch in Katar fortsetzen, besteht die Gefahr eines schmachvollen Ausscheidens in der Vorrunde. Die Angst vor dem Versagen schwebt also gewissermaßen über der Mannschaft.

Prognose: Auf dem Papier Titelkandidat, in der Praxis Kandidat für frühes Aus

Autoren: Julian Hickel, David Seddig, Maximilian Dymel

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