Noch nie ist ein afrikanisches Team bei einer Weltmeisterschaft über das Viertelfinale hinaus gekommen. Der amtierende Afrika-Cup-Sieger Senegal tritt die Reise nach Katar an, um genau das in diesem Jahr zu ändern. An spielerischem Potenzial fehlt es den Westafrikanern nicht. Ob das am Ende ausreicht, ist fraglich. Die Vorrundengruppe mit den Niederlanden, Ecuador und Katar sieht auf den ersten Blick machbar aus, könnte aber unangenehmer werden als gedacht. Auch weil es den Senegalesen in der Vergangenheit oft nicht gelang, die spielerische Dominanz in Tore umzumünzen.
Senegal hätte seine dritte WM-Teilnahme in der Geschichte um ein Haar verpasst. In den Playoffs der Afrika-Qualifikation verloren die Westafrikaner das Hinspiel gegen Ägypten auswärts mit 0:1. Im Rückspiel konnten die Senegalesen das Ruder erst im Elfmeterschießen herumreißen.
Besonders das Elfmeterschießen sorgte im Nachhinein für heftige Diskussionen, weil das senegalesische Publikum die ägyptischen Schützen und ihren Torhüter immer wieder mit Laserpointern blendeten. Ein Skandal, der die Freude der siegreichen ‚Löwen der Teranga‘ aber nur wenig trübte.
Nach dem voraussichtlichen Ausfall von Star-Spieler Sadio Mané könnte Krépin Diatta von der AS Monaco in die Startformation rücken. Auch dürfte Ismaila Sarr eine wichtigere Aufgabe in der Flügelzange spielen. Der 24-Jährige ist seit 2019 für den FC Watford aktiv und hat zwischenzeitlich sogar schon das Interesse von Klubs wie Manchester United geweckt.
Ohne Mané dürfte Kalidou Koulibaly (FC Chelsea) die Schlüsselrolle im Team übernehmen. Der international erprobte Defensivspieler debütierte Ende 2015 für Senegal und trägt seit knapp drei Jahren die Kapitänsbinde. Mit seiner Erfahrung aus über 60 Länderspielen ist der 30-Jährige ein wichtiger Baustein im Spiel der Westafrikaner. Das Duo in der Innenverteidigung wird wohl Bundesligaprofi Abdou Diallo (RB Leipzig) komplettieren. Dahinter ist Torwart Édouard Mendy (FC Chelsea) ein starker Rückhalt.
Auch im Mittelfeldzentrum sind die Senegalesen stark besetzt. Mit Idrissa Gueye (FC Everton), Nampalys Mendy (Leicester City) und Cheikhou Kouyaté (Nottingham Forest) stehen drei erfahrene Premier League-Akteure zur Verfügung. Ein Spieler, auf den besonders zu achten sein wird, ist der erst 20-jährige Pape Matar Sarr, der im Sommer zu Tottenham Hotspur wechselte. Der zentrale Mittelfeldspieler konnte sich bei den Londonern zwar noch nicht durchsetzen, gilt jedoch als großes Versprechen für die Zukunft. Sein Durchbruch könnte nun vielleicht schon bei dieser WM gelingen.
Es ist wohl traurige Gewissheit: Im Senegal muss man sich wohl mit dem WM-Aus von Sadio Mané abfinden. Afrikas Fußballer des Jahres hat sich im Bundesligaspiel des FC Bayern München gegen Werder Bremen eine Verletzung am rechten Wadenbeinköpfchen zugezogen. Einige Medien berichteten von einer Sehnenverletzung. Weitere Untersuchungen sollen in den kommenden Tagen folgen.
Es gilt jedoch als wahrscheinlich, dass der 30-Jährige die WM verpassen wird. Trainer Cissé gibt seinen endgültigen Kader für das Turnier am Freitag bekannt. Mané führte das Team in den vergangenen Jahren zu großen Erfolgen und hätte auch bei der WM den Unterschied ausmachen können.
Neben dem Flügelspieler wird den Senegalesen ein weiterer Bayern-Profi fehlen. Rechtsverteidiger Bouna Sarr fällt wegen einer Knie-OP seit September aus. Der 30-Jährige wäre beim amtierenden Afrika-Cup-Sieger wohl – anders als bei den Münchnern – gesetzt gewesen. Auch der Ex-Mainzer Moussa Niakhaté wird das Turnier mit einer Oberschenkelverletzung verpassen.
Für Senegal kommt es in der Gruppe A zu zwei Premieren: Zum ersten Mal in der Geschichte trifft das Team von Trainer Cissé auf die Niederlande und Katar. Gegen Ecuador duellierten sich die Nordafrikaner bisher zweimal (2002 & 2005). Beide Spiele konnten sie gewinnen.
Nationaltrainer Aliou Cissé setzte taktisch bisher stets auf ein offensives 4-3-3. Der Erfolg gibt ihm recht. Mit diesem System feierte der Senegal nicht zuletzt 2021 den ersten Afrika-Cup-Sieg seiner Geschichte. Gerade in Spielen gegen Kontrahenten auf Augenhöhe zeigte sich jedoch, dass den Senegalesen oft die nötige Durchschlagskraft fehlt. In den beiden Playoff-Begegnungen mit Ägypten beispielsweise dominierte man jeweils die Partie, konnte aber insgesamt nur ein Tor erzielen. Senegal hatte seine großen Erfolge oft seiner starken Defensive zu verdanken.
Bei der WM wird das Niveau der Gegner aber noch einmal steigen. Ob die Mannschaft (wohl) ohne Schlüsselspieler Sadio Mané offensiv den nötigen Druck entwickeln kann, um Spiele zu gewinnen, muss sie erst noch unter Beweis stellen. Ansonsten könnte sie wie schon bei der WM 2018 trotz großer Erwartungen wieder in der Vorrunde ausscheiden. Das damalige Aus war bekanntlich besonders unglücklich. Senegal landete bei Punkt- und Torgleichheit nur aufgrund der schlechteren Fair-Play-Wertung hinter den zweitplatzierten Japanern.
Auf dem Papier scheint es in der Gruppe A auf ein Duell zwischen Senegal und Ecuador um den zweiten Platz hinter den Niederlanden hinauszulaufen. Der Ausfall von Sadio Mané wäre ein herber Verlust für die Offensive. Umso mehr muss die Defensive um Kapitän Koulibaly das Team erneut stabilisieren und tragen. Sollten sich die Senegalesen in ihrer Gruppe durchsetzen, winkt im Achtelfinale ein Aufeinandertreffen mit derzeit schwächelnden Engländern. Der Traum vom ersten Halbfinaleinzug einer afrikanischen Mannschaft bei einer WM könnte dann womöglich weiterleben.
Prognose: Trotz Mané-Ausfall: Einzug ins Achtelfinale definitiv drin – mehr möglich.
Autoren: Julian Hickel, Maximilian Dymel
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