Bisher wurde über Katar als Gastgeber der Weltmeisterschaft 2022 vor allem aus sportpolitischer Perspektive diskutiert. Über die Mannschaft selbst ist nur wenig bekannt. Das liegt wohl vor allem daran, dass kein einziger katarischer Nationalspieler bei einem europäischen Verein unter Vertrag steht. Als Gruppenkopf der Gruppe A mit den Niederlanden, Senegal und Ecuador ist Katar also die große Unbekannte. Aus dieser Position könnte die Mannschaft von der arabischen Halbinsel am Ende vielleicht für Überraschungen sorgen.
Es ist nur einmal in der Geschichte des Fußballs vorgekommen, dass ein Gastgeber im eigenen Land sein WM-Debüt feierte. 1934 wurde Italien im eigenen Land gleich Weltmeister. Diesen Anspruch wird man in Katar in diesem Jahr wohl nicht haben. Das Ziel wird vielmehr sein, sich so teuer wie möglich zu verkaufen und zu beweisen, dass das Land seinen Platz bei der WM auch sportlich verdient hat.
Wer Katar aber von vorneherein unterschätzt und als Kanonenfutter für die Gruppengegner bezeichnet, macht einen großen Fehler. Immerhin wurden die Weinroten 2019 Asienmeister. Dabei räumten sie im Viertelfinale nicht nur Südkorea aus dem Weg. Im Finale schlug der WM-Gastgeber Japan überzeugend mit 3:1.
Katar arbeitet mittlerweile seit einem Jahrzehnt auf die WM im eigenen Land hin. Die Mannschaft spielt seit Jahren in fast identischer Zusammenstellung. Demnach hatte sie viel Zeit, um sich zu finden. Alle Nationalspieler laufen in der heimischen Qatar Stars League auf. Viele von ihnen bei Rekordmeister Al-Sadd SC.
Der spanische Trainer Félix Sánchez Baz steht also nicht vor dem Problem, aus vielen Einzelspielern in kurzer Zeit ein kohärentes Team formen zu müssen. Gerade bei einer WM kann das ein großer Vorteil sein.
Der Spieler, der am ehesten aus dem starken Kollektiv heraussticht, ist Mittelstürmer Almoez Ali. Der 26-Jährige, der ursprünglich im Sudan geboren wurde, bringt eine gewisse Schnelligkeit mit und einen enormen Torinstinkt mit. Bei der Asienmeisterschaft 2019 wurde er mit starken neun Treffern in sieben Spielen Torschützenkönig.
Auch auf seinen Sturmpartner Akram Afif gilt es zu achten. Asiens Fußballer der Jahres 2019 erzielte in 83 Länderspielen 24 Tore und stand zwischen 2014 und 2020 sogar in Spanien beim FC Villarreal unter Vertrag. Kapitän der Mannschaft ist Hassan Al-Haydos. Er gilt als technisch stark und zieht mit seiner guten Ballkontrolle im Mittelfeld die Fäden. Mit 160 Länderspielen ist er zudem Rekordnationalspieler Katars.
Katar traf in der Geschichte dreimal auf seinen Gegner des Eröffnungsspiels: Ecuador. Das letzte Duell im Oktober 2018 gewannen die Katarer mit 4:3. Im Februar 1996 trafen beide Mannschaften zweimal binnen sieben Tagen aufeinander. Die erste Begegnung endete mit einem 1:1-Unentschieden. Ecuador entschied das zweite Spiel mit 2:1 für sich.
Die WM-Partien gegen die Niederlande und Senegal sind Premieren. Katar hat gegen beide Nationen noch nie gespielt.
In der Offensive bringt Katar durchaus Qualität auf den Platz. In der Defensive jedoch fehlen die überzeugenden Einzelspieler. Der WM-Gastgeber wird daher versuchen, den Gegner mit taktischer Disziplin und Einsatzbereitschaft vom eigenen Tor fernzuhalten. In der jüngeren Vergangenheit agierte man meist im 5-2-1-2-System. Oberste Priorität wird sein, das Zentrum kompakt zu halten und dann – wenn möglich – über Konter zum Erfolg zu kommen.
Mit dieser Spielweise können die Katarer, aktuell Rang 50 der FIFA-Weltrangliste, ihre Gegner vor Probleme stellen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Katar an guten Tagen vor allem Ecuador und Senegal gefährlich werden könnte. Sollte es im Eröffnungsspiel gegen Ecuador gar einen Sieg geben, dürfte eine Euphorie entstehen. Diese könnte Mannschaft vielleicht sogar bis ins Achtelfinale tragen. Aber dafür bedarf es einer enormen Energieleistung aller Spieler.
Prognose: Aus in der Gruppenphase – Achtelfinale unwahrscheinlich, aber möglich
Autoren: Julian Hickel, Maximilian Dymel
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